Eingeladen waren die mit Indien befassten deutschen Akteure: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Auswärtiges Amt (AA), Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), iMOVE - Initiative vom BMBF zur Internationalisierung deutscher Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen - und Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.
Eine kurze Einführung in die Besonderheiten des deutschen dualen Berufsbildungssystems bildete den Startpunkt der Veranstaltung, gefolgt von einer Diskussion über die Gestaltung eines möglichen Transfers von Ideen und Konzepten. Anschließend stand die Darstellung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Indien, die Analyse des bestehenden Berufsbildungssystems und die aktuellen Entwicklungen im Zentrum des Fachdialogs.
Bei der Darstellung der Rahmenbedingungen wurde deutlich, dass Indien vor der historischen Herausforderung steht, die große und weiterhin wachsende Bevölkerung mit ihrem hohen Anteil junger Menschen in eine „demografische Dividende“ für das dynamische Wirtschaftswachstum des Landes nutzbar zu machen und durch eine Stärkung der beruflichen Bildung eine „demografische Katastrophe“ abzuwenden. Um dieser Situation wirkungsvoll zu begegnen, verlagerte der amtierende Premierminister Narendra Modi einen Schwerpunkt seiner politischen Anstrengungen auf den Auf- und Ausbau der beruflichen Bildung im Rahmen seiner „Skill India Mission“, die die berufliche Qualifikation von 400 Millionen Menschen bis 2022 zum Ziel hat.
Gegenwart und Zukunft
Berufliche Bildung in Indien lässt sich grob in zwei Kategorien einteilen: schulische und praktische Berufsbildung, auch Training genannt. Schulische Berufsbildung beginnt mit der Sekundarstufe in der 11. Klasse und dauert ein bis drei Jahre. Zuständig hierfür ist das Ministry of Human Ressource Development. Die praktisch orientierte Berufsbildung umfasst das sogenannte „Craftsman Training Scheme“, welches in sogenannten staatlichen Industrial Training Institutes und privaten Industrial Training Centers and Polytechnics durchgeführt wird, und das sogenannte „Apprenticeship Scheme“, eine rein betriebliche Ausbildung. Beide obliegen dem Ministry of Skill Development and Entrepreneurship. Duale Ausbildung, die nach deutschem Verständnis auf Betrieb und Schule aufgeteilt ist, findet in Indien dagegen praktisch nicht statt.
Ein neueres, drittes Element sind die neuen dezentralen Kurzzeittrainings, durchgeführt von privaten Bildungsanbietern, welche unter der Ägide der National Skill Development Corporation (NSDC) stehen und zum Ziel haben, möglichst schnell eine große Personenzahl erreichen zu können. Damit steht der „Speed and Scale“-Ansatz in Konkurrenz zum MSDE-System, welcher auf eine vertiefte, praktisch orientierte Berufsausbildung setzt.
In der Diskussion wurde ersichtlich, dass das staatliche Berufsbildungssystem trotz aller Reformbemühungen bisher weder qualitativ noch quantitativ den massiven Herausforderungen gewachsen ist, vor denen es steht. Daher ist Deutschland bestrebt, Indien bei seinen Reformbemühungen zu unterstützen. Insbesondere durch das Einführen der dualen Berufsausbildung nach deutschem Vorbild könnte sowohl die Qualität der Berufsausbildung verbessert, als auch die Beteiligung der heimischen Wirtschaft bzgl. der Berufsausbildung in Indien verstärkt werden.
Aus deutscher Sicht wird dabei ein Ansatz auf Cluster-Ebene als vielversprechend angesehen. Kleine und mittelständische, auf regionaler Ebene organisierte Unternehmen können duale, bedarfsgerechte und zukunftsfähige Berufsausbildung etablieren, die dann im ganzen Land zum Einsatz kommen könnte. Dass dies möglich ist und gut funktionieren kann, haben sowohl das BMZ finanzierte GIZ-Projekt „Indo-German Programme for Vocational Education and Training“ (IGVET) als auch das BMBF-finanzierte DIHK VETnet-Projekt gezeigt.
Als Fazit waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass Deutschland einen wichtigen Beitrag leisten kann, um Indien bei seinen Reformbemühungen zu unterstützen. Auf deutscher Seite gibt es aber auch noch nicht ausgeschöpftes Potenzial, die Berufsbildungszusammenarbeit mit Indien zu verbessern. Allerseits herrschte Einigkeit darüber, dies als Ansporn zu nehmen, die Zusammenarbeit zu vertiefen.