Politische Zielsetzungen und Programme: Japan
Bildungspolitische Ziele und Programme
Grundlage der japanischen Bildungspolitik ist das seit 1947 geltende Fundamental Law of Education. Der „Education Reform Plan for the 21st Century“, der 2001 angenommen wurde, sieht grundsätzlich vor, eine pädagogische Philosophie in Japans Schulen einzuführen, die modernen gesellschaftlichen Anforderungen entspricht. Mittelfristige bildungspolitische Ziele legen Basispläne mit 5-jähriger Laufzeit fest.
Ein bildungspolitischer Schwerpunkt lag bisher auf der Wissenschaftserziehung an den japanischen Schulen. Ausgewählte und besonders geförderte Oberschulen vermitteln als sogenannte „Super Science Highschools" (SSHs) spezielle Kenntnisse in Naturwissenschaften und Mathematik. Auf Initiative des MEXT lehren Fachkräfte aus Wissenschaft und Technik auf Teilzeitbasis in Schulen. Sie sind aufgerufen, wissenschaftliche Erkenntnisse verstärkt über Medien, Veranstaltungen und öffentliche Vorträge an den Universitäten zu verbreiten.
2014 hat die japanische Regierung eine Reform des Hochschulzugangsverfahrens beschlossen, die unter anderem vorsieht, ab 2020 die bisherige Prüfung durch einen Test zur „Evaluation der Leistungen von Studienbewerbern“ zu ersetzen, der an mehreren Terminen im Jahr stattfinden soll. Dabei soll eine breitere Palette von Kompetenzen als bisher geprüft werden, so zum Beispiel die schriftliche Ausdrucksfähigkeit in der japanischen Sprache sowie die mündliche Beherrschung der englischen Sprache.
Um Reformen vorzubereiten, hat Japan sein Bildungssystem 2018 von der OECD begutachten lassen. Unter dem neuen Dritten Basisplan für Bildungsförderung („3rd Basic Plan for the Promotion of Education“, 2018-22) stand die Überarbeitung von Lehrplänen an Schulen sowie die Verbesserung von Bildungschancen für ältere Personen („Lebenslanges Lernen“) und ärmere Bevölkerungsgruppen im Vordergrund. Im April 2020 hat die japanische Regierung ein neues System von Studienhilfen für Studierende aus einkommensschwachen Familien eingeführt, bei dem sowohl Zuschüsse zu den Studiengebühren als auch zu den Lebenshaltungskosten gewährt werden, die nicht zurückgezahlt werden müssen (siehe DAAD-Bildungssystemanalyse Japan, S. 17, Stand 23.01.2024).
Um einem Rückgang der Promotionen in Japan entgegenzuwirken, hat die Regierung Gegenmaßnahmen ergriffen: Für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses setzt die japanische Politik nun auf den Erlass von Promotionsgebühren und die erstmalige Bereitstellung von Stipendien für Promovierende (APRA-Monitoring Demographische Herausforderungen (2024), S. 28).
Im Mai 2017 hat Japan ein Gesetz angenommen, auf dessen Basis ein neuer Typus von Hochschulen ab 2019 berufsbildende College- oder Bachelor-Abschlüssen anbieten kann (JSPS-Rundschreiben 02/2017).
Der Central Council of Education veröffentlichte im Jahr 2018 einen umfassenden Bericht zu einer Reform des japanischen Hochschulwesens vor dem Hintergrund des Demografischen Wandels (Zusammenfassung „Grand Design for Higher Education toward 2040“). Zum Ausgleich für den Rückgang der 18-jährigen Studienanfängerinen und -anfänger ist darin ein verstärkter Fokus auf Weiterbildung der älteren Bevölkerung und eine verbesserte Diversität des Lehrpersonals an Hochschulen vorgesehen („diverse students, diverse teachers, diverse and flexible education programmes“).
Eine im Jahr 2020 durchgeführte Umfrage OECD zeigte, dass Japan einen der geringsten Anteile weiblicher Lehrkräfte in der Hochschulbildung hat (30 Prozent gegenüber 45 Prozent unter allen OECD-Mitgliedsländern). Die University of Tokyo gab im November 2022 bekannt, dass sie bis 2027 mehr als 300 Professorinnen und weibliche Associate Professor einstellen möchte. Ziel ist es, den Anteil der Frauen an den Lehrenden bis zum Fiskaljahr 2027 von 16 Prozent auf mindestens 25 Prozent zu erhöhen (JSPS-Rundschreiben 03/2022).
Forschungs- und Innovationspolitische Ziele und Programme
Zu den vielfältigen strategischen Grundlagen der japanischen Forschungs- und Innovationspolitik gibt es hier einen Überblick. Gesetzliche Grundlage der japanischen Forschungs- und Technologiepolitik ist das „Science & Technology Basic Law“ von 1995, das vorsieht, das die wesentlichen mittelfristigen Ziele der Forschungs- und Innovationspolitik in mehrjährigen Basisplänen festgelegt werden. Um flexibel auf Zwischenevaluierungen und sich verändernde weltpolitische Rahmenbedingungen reagieren zu können, wird ergänzend jährlich eine „Integrated Innovation Strategy“ publiziert. Wichtige Weichenstellungen erhalten demnach der sechste Basisplan („Sixth Science, Technology and Innovation Basic Plan“, „Sixth STI Basic Plan“, 2021-26) sowie die „Integrated Innovation Strategy“ in der Fassung von 2023. Der sechste Basisplan wurde vom japanischen Kabinett im März 2021 genehmigt. Die japanische Orientierung an der Vision einer „Society 5.0“, ergänzt durch einen Fokus auf Sicherheit und Nachhaltigkeit wie auch die Förderung disruptiver Innovation durch die Moonshot-Programme wurden bereits unter dem Abschnitt Fachliche Stärken thematisiert.
Der sechste Basisplan wurde vor dem Eindruck einer wachsenden Schwäche des japanischen Forschungs- und Innovationssystems angenommen. Kennzeichnend dafür ist eine schrumpfende Anzahl hochwertiger wissenschaftlichen Publikationen und eine stagnierende Anzahl von Promotionen. Um das japanische System zu stärken, sieht der Plan massive Investitionen in Forschung und Innovation vor. Nach einer Zwischenbilanz der Integrated Innovation Strategy 2023 ist Japan auf gutem Wege, die angestrebten Investitionsziele zu erreichen: Geplant waren über den gesamten Zeitraum von 2021-26 Regierungsinvestitionen von 30 Billionen Yen, ergänzt durch 120 Billionen öffentliche und private Ausgaben. Die Zwischenbilanz von 2021 zeigt, dass Regierungsinvestitionen von 21,9 Billionen Yen erreicht wurden.
Im Fokus steht außerdem die Schaffung eines japanischen Innovationsökosystems, das unter anderem auf die Förderung von Innovation in kleinen Unternehmen („Small Business Innovation Research“, SBIR-Programme) und eine neue Start-Up-Kultur setzt. Die Anzahl technologisch anspruchsvoller Spin-Off Unternehmen an Universitäten hat seit einigen Jahren stark zugenommen. Im Jahr 2021 lag diese bei 3.300 Spin-Offs. Die japanische Regierung unterstützt die japanische Start-Up-Szene nun im Rahmen eines Fünf-Jahres-Plans (APRA-Monitoring Bericht Japan (2022), S. 22).
Ein japanisches Ziel ist außerdem die Schaffung von Forschungsuniversitäten von Weltklasse, die sich am US-amerikanischen Modell privater Hochschulen orientiert. Die Japan Science and Technology Agency (JST) hat dazu einen University Endowment Fonds mit Mitteln von 10-Billionen Yen (63,63 Mrd. Euro) ausgestattet. Die ausgewählten Universitäten sollen ab dem Fiskaljahr 2024 eine finanzielle Förderung in Höhe von mehreren zehn Milliarden Yen (63,63 Mio. Euro) erhalten, die aus Investitionsgewinnen des Fonds ausgezahlt wird (Nature Index „Shoring up Japans Research Performance“, March 2023). Die Förderdauer des Programms ist auf 25 Jahre begrenzt. Anfangs werden nur einige Hochschulen ausgewählt, während nach und nach weitere hinzukommen. Im April 2023 hat das Ministerium MEXT bekannt gegeben, dass sich unter diesem Programm zehn Hochschulen als „Universities of International Research Excellence“ beworben hatten. Ein Problem ist jedoch, dass der Fonds im ersten Jahr statt Investitionsgewinnen Verluste eingefahren hat (siehe JSPS Rundschreiben Nr. 02/2023, Ausgabe 124).
Zwischen 2014 und 2018 lief das ressortübergreifende „Cross ministerial Strategic Innovation Promotion Program“ (SIP). Das Nachfolgeprojekt SIP-2, wurde zwischen 2018 und 2022 durchgeführt. Das Programm erstreckt sich mittlerweile auf zwölf Forschungsfelder, die der Council for Science, Technology and Innovation (CSTI) ausgewählt hat. Für jedes dieser Felder setzte der CSTI einen Programmdirektor aus Wissenschaft oder Industrie ein.
Das „ImPACT“-Programm („Impulsing Paradigm Change through Disruptive Technologies“) sollte disruptive Technologien mit hohem Entwicklungsrisiko, aber potenziell hohem Nutzen in die Anwendung überführen und startete ebenfalls in 2014, bestand aus 16 Projekten, die je durch einen Programme-Manager geleitet wurden und wurde mittlerweile beendet. Das Gesamtbudget für die 5-jährige Projektlaufzeit (bis Ende HHJ2018) betrug 55 Mrd. JPY (rund 46 Mio. Euro).
Weitere Informationen
Ergebnisse von Evaluierungen
Wie bereits erwähnt hat Japan sein gesamtes Bildungssystem 2018 von der OECD begutachten lassen Die OECD lobte das positive Lernumfeld in den Schulen, das durch engagierte Lehrkräfte und Familien geschaffen wurde und das zu exzellenten Bildungsergebnissen in den PISA- und PIAAC-Studien führte.
Eine Erfolgskontrolle bei der Umsetzung der Basispläne für Wissenschaft und Technologie wurde nach dem fünften Basisplan (2016-20) eingeführt. Der Stand der Umsetzung des aktuellen Plans soll anhand von bestimmten Indikatoren bewertet werden, die sich u.a. auf Zielgrößen aus den Bereichen Hochschulranking, Patente, Publikationen, Start-ups, Forschermobilität und Technologietransfer beziehen. Mittlerweile neu hinzugekommen sind weitere Indikatoren zu Innovation, der Entwicklung neuer Forschungsbereiche und Beiträge zum Thema „Diversity“ Die Zwischenergebnisse sollen dem Cabinet Office (CAO) in den Umsetzungsphasen der Basispläne eine Nachsteuerung ermöglichen.
Die OECD hat 2021 eine Zwischenbilanz zu missionsorientierter Innovationspolitik Japans publiziert (OECD (2021) Mission-oriented innovation policy in Japan). Japan ist demnach eines von weltweit nur wenigen Ländern, welche bereits über die volle Laufzeit Erfahrungen mit missionsorientierten Programmen wie SIP („Strategic Innovation Promotion Program“) und ImPACT („Impulsing Paradigm Change through Disruptive Technologies“) sammeln konnten. Die Steuerung (Governance) der Programme stellte für Japan eine besondere Schwierigkeit dar. Empfohlen wird eine Orientierung zukünftiger Initiativen an globalen Herausforderungen unter Einbeziehung von Bottom-Up-Ansätzen, mit denen Norwegen und Schweden experimentieren.