Fachliche Stärken des Forschungssystems: Vereinigtes Königreich (Großbritannien)
Übersicht
Der Spezialisierungsindex dient dazu, das wissenschaftliche Profil eines Landes darzustellen. Er zeigt an, in welchen Bereichen ein Land im Vergleich zum gesamten weltweiten Publikationsaufkommen stark oder schwach vertreten ist. Ein negatives Vorzeichen stellt eine unterdurchschnittliche Spezialisierung dar. Der Indikator ist auf einen Wertebereich von -100 (stark negative Spezialisierung) bis +100 (stark positive Spezialisierung) normalisiert. Er geht zurück auf frühere Indikatoren für die Handelsspezialisierung und baut auf dem Konzept des komparativen Vorteils auf.
Großbritannien weist gegenüber dem weltweiten Publikationsaufkommen eine besonders starke Spezialisierung (+25 und mehr) in den Fachgebieten Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften (mit und ohne Schwerpunkt Wirtschaftswissenschaften), Geowissenschaften und Multidisziplinäre Forschung auf (Quelle: Monitoring des Asiatisch-Pazifischen Forschungsraums (APRA) - 2. Bericht (2020), S. 185, 198, Datenquelle: Scopus Elsevier 2016-18).
Der sogenannte „Integrated Review of Security, Defence, Development and Foreign Policy 2023“ liefert im Hinblick auf Sicherheitsziele auch für Politiksektoren jenseits klassischer Verteidigungspolitik strategische Festlegungen. Der Integrated Review, der Wissenschafts- und Technologierahmen („UK Science and Technology Framework“) sowie die Internationale Technologiestrategie („The UK's International Technology Strategy“) stufen folgende Technologien als prioritär ein: Künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologien, Engineering Biology, Halbleiter und Telekommunikation der Zukunft. Daten sind der Rohstoff, der die Entwicklung prioritärer Technologien unterlegt und ermöglicht.
Mit einem am 12. September 2023 vorgestellten "One-stop shop" sollen alle Informationen zu priorisierten Forschungsbereichen der Regierungsstellen in einer zentralen Anlaufstelle gebündelt werden. Die sogenannten Areas of Research Interest ("ARI Database") sind Listen von Forschungsfragen oder -themen, zu denen die Ministerien und Behörden in Großbritannien mehr Forschung anstoßen wollen, um wissenschaftliche Grundlagen für politische Fragen zu generieren und die Lücke in der Evidenzpolitik zu schließen.
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Gesundheitsforschung
Großbritannien ist nicht nur selbst Hauptsitz von zwei bedeutenden Pharmaunternehmen (AstraZeneca und GlaxoSmithKline), es ist auch ein attraktiver Standort für multinationale Unternehmen der Gesundheitsbranche. Viele dieser Unternehmen betreiben in Großbritannieneigene Forschungseinrichtungen, teilweise mit langer Tradition: So ist der Pharmariese Pfizer ist bereits seit den fünfziger Jahren vor Ort präsent (Pfizer UK). Die Lebenswissenschaften sind ein traditioneller Schwerpunkt britischer Forschung und Entwicklung (FuE) der sich sowohl auf Biotechnologie als auch Gesundheitsforschung erstreckt. Die Regierung nahm bereits 2011 die Strategie für Lebenswissenschaften („Strategy for Life Sciences“) an, die zwischenzeitlich in die Industriestrategie integriert wurde. Die Regierung richtete außerdem das Office for Life Sciences (OLS) ein, um die Förderung durch das Wirtschaftsministerium und das Gesundheitsministerium besser koordinieren zu können. Die einheimische Basis für die starke britische Gesundheitsforschung bilden zwei CATAPULT-Forschungszentren zu Zell- und Gentherapie sowie zu Medizinischen Entdeckungen, ein FuE-affiner National Health Service (NHS), der durch das National Institute of Health Research (NIHR) gefördert wird, die renommierten britischen Hochschulen, die Förderorganisationen Medical Research Council (MRC) sowie zahlreiche private gemeinnützige Fördereinrichtungen, von denen etwa 140 in der Association of Medical Research Charities (AMRC) zusammen geschlossen sind. Zusammen stellen sie jedes Jahr Fördermittel in Höhe von 1,99 Milliarden GBP bereit.
Diese breite Basis wurde auch genutzt, um 2016 das größte biomedizinische Forschungszentrum Europas, das Francis Crick Institute, in London einzurichten. Träger ist eine innovative Partnerschaft, bestehend aus drei renommierten Universitäten, dem Forschungsrat Medical Research Council (MRC) sowie den privaten Fördereinrichtungen Cancer UK und dem Wellcome Trust.
Für die neue britische Demenzforschungseinrichtung, das UK Dementia Research Institute (UK DRI), wurden ebenfalls öffentliche und private Ressourcen und Expertise gebündelt.
Die globale Ausrichtung Großbritanniens hat dazu geführt, dass Krankheiten, von denen primär Entwicklungsländer betroffen sind, in der Förderpolitik eine wichtige Rolle spielen. Dazu trägt auch die Arbeit des britischen Wellcome Trust bei, der inzwischen zu den global aktivsten und bestens vernetzten FuE-Förderorganisationen gehört.
Im Zuge der Covid-19-Pandemie wurde ein neuer Schwerpunkt auf das Thema Gefahrenabwehr von Risiken für die öffentliche Gesundheit („Health Security“) gelegt. Dazu hat die Health Service Agency 2023 eine 10-Jahres-Wissenschaftsstrategie publiziert. Weitere Schwerpunkte sind die Genomforschung sowie die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich.
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Links/Institutionen
Nachrichten
Digitaler Wandel
Die Einführung von Industrie 4.0 wird insbesondere durch die sieben CATAPULT-Zentren des High Value Manufacturing Catapult (HVMC) sowie das Digital Catapult (DC) unterstützt und begleitet.
Ähnlich wie in der Gesundheitsforschung war es Großbritannien bereits früh gelungen, Forschungseinrichtungen von US-amerikanischen Unternehmen der Computer-/Softwarebranche ins Land zu holen. Microsoft Research unterhält seit 1997 ein eigenes Forschungszentrum in Cambridge (Microsoft Research Cambridge).
Unter Beteiligung verschiedener Universitäten, darunter Oxford und Cambridge, wurde mit staatlichen Mitteln 2015 das Alan Turing Institute an der altehrwürdigen British Library eingerichtet. Durch die Namensgebung wird ein Wissenschaftler geehrt, der als einer der Väter des modernen Computers gilt und der sich darüber hinaus große Verdienste bei der Entschlüsselung militärischer Codes im Zweiten Weltkrieg erworben hat. Das Angebot von Turing Fellowships soll helfen, die weltweit besten Forschenden zu KI ins Land zu holen. Um die KI-Forschung nach hohen ethischen Standards durchzuführen, ist geplant wurde ein Centre for Data Ethics and Innovation aufgebaut.
Mit Hilfe der nationalen KI-Strategie (National AI Strategy) setzt die britische Regierung ab 2022 folgende Prioritäten:
- Förderung der verantwortungsvollen Entwicklung, Nutzung und Einführung von KI und Gestaltung der globalen KI-Governance im Einklang mit den Werten und Prioritäten Großbritanniens, auch im Verteidigungsbereich;
- Förderung der Rolle interoperabler, nicht-regulatorischer Governance-Instrumente, wie z. B. Sicherheitstechniken und technische Standards, um die Entwicklung und den Einsatz von verantwortungsvoller KI zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit einem breiten Spektrum an multidisziplinären Partnern, einschließlich des britischen AI Standards Hub, um technische KI-Standards in Organisationen zur Entwicklung von Standards zu gestalten.
- Ausübung einer führenden Rolle in bedeutenden multilateralen Foren zu KI-Themen, darunter die OECD, der Europarat und die Vereinten Nationen, und verstärken unser Engagement in Multi-Stakeholder-Gruppen wie der GPAI.
- Initiierung eines umfassenden internationalen Dialogs über die aktuellen und zukünftigen Risiken der KI, z. B. über allgemeine KI-Systeme.