Auf Initiative der Bundesregierung haben Expertinnen und Experten aus ganz Europa gemeinsam die dringendsten Forschungsfragen zu Grünem Wasserstoff auf europäischer Ebene identifiziert und in einer Strategischen Forschungs- und Innovationsagenda (Strategic Research and Innovation Agenda, SRIA) zusammengefasst. An dem Prozess waren außerdem die Europäische Kommission sowie Vertreter aus zahlreichen europäischen Ländern, aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft beteiligt. Koordiniert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Am 18. März 2022 wurde die SRIA an den Innovationsbeauftragten für Grünen Wasserstoff des BMBF, Stefan Kaufmann, übergeben. Auf Basis der SRIA sollen bei einer hybriden Fachkonferenz am 16. und 17. Mai konkrete Umsetzungsschritte eingeleitet werden.
Der europäische Agendaprozess zu Grünem Wasserstoff ist eine Pilotinitiative des Europäischen Forschungsraums (EFR), die im Rahmen der Neuausrichtung des Europäischen Forschungsraums (EFR) während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 beschlossen und in enger Zusammenarbeit mit den Partnerländern der Trio-EU-Ratspräsidentschaft, Portugal (1. Halbjahr 2021) und Slowenien (2. Halbjahr 2021) vorangetrieben wurde. Mit seinen Schlussfolgerungen zu dem neuen Europäischen Forschungsraum vom 1. Dezember 2020 ersuchte der Rat der Europäischen Union (Wettbewerbsfähigkeit) die Kommission und interessierte Mitgliedstaaten, im Jahr 2021 eine Agenda für eine EFR-Pilotmaßnahme „erneuerbarer Wasserstoff“ im FuI-Bereich durchzuführen. Die Entwicklung einer EFR-Pilotmaßnahme „erneuerbarer Wasserstoff“ im FuI-Bereich findet sich auch in Maßnahme 11 der Politischen EFR-Agenda 2022‑2024 „Ein EFR für den grünen Wandel“ wieder. Die mit den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam entwickelte und von der Europäischen Kommission eng begleitete Strategische Forschungs- und Innovationsagenda (SRIA) soll eine wettbewerbsfähige Europäische Wasserstoffwirtschaft beschleunigen.
Der Agendaprozess bringt Wissenschaft, Industrie, Zivilgesellschaft sowie die öffentliche Verwaltung auf freiwilliger Basis zusammen, um als inter- und transdisziplinäre Gemeinschaft die drängendsten Forschungsbedarfe für Grünen Wasserstoff zu identifizieren. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) koordinierte den Agendaprozess, an dem Expertinnen und Experten aus 27 europäischen Ländern teilgenommen haben. Sie sammelten Ideen und Fragen in ersten Entwürfen und arbeiteten diese über mehrere Monate zu abgestimmten Positionspapieren aus. Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft waren über eine europaweite öffentliche Online-Konsultation eingebunden. Bulgarien, Italien, Österreich und Deutschland richteten thematische Workshops zu den Bereichen Transport und Infrastrukturen, Marktstimulierung und Produktion aus, um die gefundenen Positionen weiter zu schärfen.
Grüner Wasserstoff ist entscheidend für die Dekarbonisierung zentraler deutscher Wirtschaftsbranchen wie der Stahl- und Chemieindustrie oder des Flug-, Schiff- und Schwerlastverkehrs. Er ist damit ein Schlüsselbaustein der nachhaltigen europäischen Transformation. Wasserstofftechnologien eröffnen außerdem vielfältige Wertschöpfungspotenziale und können sich zu einem zentralen Geschäftsfeld der deutschen und europäischen Exportwirtschaft entwickeln.
Dazu erklärte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger:
„Der Klimawandel ist eine Menschheitsaufgabe. Ich freue mich deshalb sehr, dass sich Experten aus vielen europäischen Ländern an der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Forschungs- und Innovationsagenda für Grünen Wasserstoff beteiligt haben. Wir wollen im Kampf gegen den Klimawandel auf Technologie setzen statt auf Verzicht. Dafür müssen wir das Tempo in der Entwicklung von klimaneutralen Technologien und marktreifen Innovationen erhöhen. Als Chancenministerium fördern wir Technologien für ein klimaneutrales Europa. Grüner Wasserstoff ist dabei ein Schlüsselbaustein. Er ist gleichzeitig zentrales Element einer zukunftsfähigen Energieversorgung, die uns aus der Energieabhängigkeit von Russland löst. Deshalb wollen wir Grünen Wasserstoff wettbewerbsfähig machen. Die Strategische Forschungs- und Innovationsagenda soll einen Kern bilden auf dem Weg hin zu einer Europäischen Wasserstoffunion. Der Agendaprozess Grüner Wasserstoff ist damit auch eine Blaupause für künftige, breit aufgestellte Initiativen der Mitgliedstaaten in einem weiterentwickelten, dynamisierten Europäischen Forschungsraum. Das ist wichtig, denn nur gemeinsam können wir unsere Klimaziele erreichen.“
Simona Kustec, slowenische Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Sport, sagte:
„Die Strategische Forschungs- und Innovationsagenda ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Europäischen Wasserstoffunion. Unser Ziel ist es, Europa zu einem klimaneutralen Kontinent zu machen. Kooperation ist essentiell mit Blick auf die Zukunft und insbesondere in der aktuellen Situation, in der wir mit einem Krieg in der Ukraine und einer Klimakrise konfrontiert sind. Deshalb ist dieser gemeinsame strategische Plan so wichtig. Er leistet einen Beitrag dazu, unsere Energieunabhängigkeit zu erhöhen, die Nutzung nachhaltiger Energien auszubauen und Energie in ganz Europa erschwinglicher zu machen. Außerdem trägt der Plan zu einer Wende hin zu sauberer Energie und zu Europas Unabhängigkeit von unzuverlässigen Lieferanten und problematischen fossilen Brennstoffen bei. Indem wir sektor- und regierungsübergreifend zusammenarbeiten, werden die Mitgliedstaaten das angestrebte Ziel einer europäischen Wasserstoffwirtschaft erreichen, mit dem wir der größten aktuellen Herausforderung begegnen.“
Manuel Heitor, portugiesischer Minister für Wissenschaft, Technologie und Hochschulbildung, sagte:
„Grüne Wasserstoffsysteme sind für ein kohlenstoffneutrales, resilientes Europa von kritischer Bedeutung, erfordern aber auch neues Wissen und ein klares Verständnis verschiedener Formen institutioneller Innovationen über Forschungseinrichtungen sowie öffentliche und private Organisationen hinweg, darunter traditionelle Energieversorger, neue disruptive Energieunternehmen und Energieverbraucher im Allgemeinen. Die Vertiefung unseres Wissens zur Chemie von Wasserstoff, die Entwicklung und Förderung neuer Forschungs- und Innovationsinfrastrukturen für die Erprobung und Bestätigung neuer Konzepte für grünen Wasserstoff und die Entwicklung neuer Ausrüstung erfordern eine gemeinsame Agenda für ganz Europa, die zusammen mit innovativen Verteilnetzen und Energienutzungspfaden umgesetzt wird. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung neuer mit disruptiven Elektrolyseuren und/oder neuen Speichergeräten (beispielsweise unter Anwendung von Salzschmelzen) gekoppelter Solarenergiegeneratoren im Zusammenspiel mit Brennstoffzellen zur Erzeugung von Elektrizität zur Einspeisung in das Stromnetz, wie sie bereits im Süden Portugals im Rahmen starker europäischer Partnerschaften getestet werden und zum Einsatz kommen. Die heute veröffentlichte gemeinsame europäische Forschungs- und Innovationsagenda für grünen Wasserstoff wird mit Sicherheit dazu beitragen, bestehende Kapazitäten und wegweisende Projekte für eine nachhaltige europäische Wasserstoffunion und ein klimaneutrales, resilientes Europa auszubauen, zu beschleunigen und weiter zu stärken.“
Die Europäische Kommission erklärte:
„In Reaktion auf die Invasion der Ukraine durch Russland arbeiten die Kommission und die Mitgliedstaaten an gemeinsamen Maßnahmen für bezahlbare, sichere und nachhaltige Energie, um die Versorgung der EU auf neue Füße zu stellen, den Übergang zu sauberer Energie deutlich zu beschleunigen und Europas Energieunabhängigkeit von unzuverlässigen Versorgern und volatilen fossilen Brennstoffen zu stärken. Es ist klar, dass gemeinsame Maßnahmen zur Beschleunigung der europäischen Wasserstoffwirtschaft eine wichtige Rolle bei diesem Übergang spielen und die heute veröffentlichte gemeinsame Strategische Forschungs- und Innovationsagenda für grünen Wasserstoff ist daher so relevant wie nie zuvor. Nur wenn wir uns zusammentun und grenz-, regierungs- und sektorübergreifend im Europäischen Forschungsraum zusammenarbeiten, können wir die Wirkung erzielen, die unsere Bürgerinnen und Bürger brauchen und verdient haben.“