Van Quickenborne weiter: "Das heutige Übereinkommen bedeutet, dass in Zukunft die Kosten für ein europäisches Patent um den Faktor 10 reduziert werden. Ergebnis dessen wird sein, dass die Kosten eines Patents in Europa wettbewerbsfähig und mit den Kosten in den Vereinigten Staaten und in Japan vergleichbar sein werden und das wird natürlich von großem Nutzen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie sein."
Wie der Minister hervorhob, stand die Idee der Schaffung eines einheitlichen europäischen Patents bereits 1949 erstmals zur Debatte. Jedoch hatte es sich bisher immer als unmöglich erwiesen, bei diesem heiklen Thema die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu erlangen. Wie schon viele Mitgliedstaaten vor ihnen erklärten auch die Belgier das EU-Patent zu einer ihrer Prioritäten, als sie im Juni den Ratsvorsitz der EU übernahmen. Anfangs strebte man noch an, alle 27 Mitgliedstaaten ins Boot zu holen.
"Wir haben uns redlich bemüht, Einstimmigkeit zu erzielen", berichtete Van Quickenborne. "Ich kann guten Gewissens sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben." Beim Novembertreffen des Rates für Wettbewerbsfähigkeit wurde jedoch letztendlich deutlich, dass es unmöglich ist, zu einem für alle EU-Länder zufriedenstellenden Kompromiss zu gelangen.
Stattdessen kam es zu der laut Van Quickenborne "mutigen Entscheidung", gemäß der eine Reihe von Mitgliedstaaten das Verfahren der "Verstärkten Zusammenarbeit" wählten, welches es neun oder mehr Ländern gestattet, in einer Frage voranzukommen, die von einer kleinen Anzahl von Mitgliedstaaten dauerhaft blockiert wird.
Nach dem Vertrag von Lissabon kann die Verstärkte Zusammenarbeit nur "als letztes Mittel [zum Einsatz kommen], wenn festgestellt wurde, dass die Ziele einer solchen Zusammenarbeit nicht innerhalb einer angemessenen Frist von der Union als Ganzes erreicht werden können, und vorausgesetzt, dass sich mindestens neun Mitgliedstaaten daran beteiligen".
Die elf an einer verstärkten Beteiligung an der Patentfrage interessierten Länder sind: Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Slowenien, Finnland, Schweden und das Vereinigte Königreich. Andere Länder können dem System später beitreten, wenn sie dies wünschen.
Die Europäische Kommission muss nun beurteilen, ob der Antrag auf eine Verstärkte Zusammenarbeit gerechtfertigt ist. Die Europäische Kommission diskutierte am Dienstag, den 14. Dezember die Vorlage eines offiziellen Vorschlags für einen Ratsbeschluss, der zur Anwendung des Verfahrens der Verstärkten Zusammenarbeit bei der Realisierung eines EU-Patents ermächtigt.
Im Anschluss an das Treffen des Rates für Wettbewerbsfähigkeit legte der für den europäischen Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier die nächsten Schritte dar: "Hier handelt es sich um eine institutionelle Grundsatzentscheidung, die den Weg für eine Verstärkte Zusammenarbeit öffnen wird."
Er führte weiter dazu aus: "Die Entscheidung am Dienstag wird sich nicht mit dem Inhalt befassen. Es ist ein Vorschlag an den Rat, eine Entscheidung zu treffen. Das Europäische Parlament wird außerdem dazu aufgefordert, seine Meinung zu diesem Vorschlag zu äußern und die Zustimmung zu erteilen. Der Rat Wettbewerbsfähigkeit wird dann auf seiner nächsten Tagung unter dem ungarischen Ratsvorsitz den formalen Beschluss fassen. Dies wird aller Wahrscheinlichkeit nach im März sein.
"Sobald der Rat Wettbewerbsfähigkeit die formale Entscheidung getroffen hat, wird die Kommission Legislativvorschläge in Hinsicht auf die faktische Umsetzung dieser Zusammenarbeit kraft zweier Verordnungen unterbreiten, die sich zum einen auf die Schaffung eines einheitlichen Schutzes sowie eine zweite Verordnung zum Thema Übersetzungserfordernisse beziehen."
Sobald diese legislativen Vorschläge auf dem Tisch liegen, werden die üblichen EU-Rechtssetzungsverfahren in Gang kommen. Michel Barnier sagte dazu, er hoffe, dass diese Überlegungen "bis Ende des Jahres 2011 zum Abschluss gebracht" seien.
Dem Vorgehen über eine Verstärkte Zusammenarbeit weht jedoch auch ein scharfer Wind der Kritik entgegen. Spanien und Italien versuchten in einem Schreiben an den Rat und die Kommission geltend zu machen, dass die Patentfrage nicht den Anforderungen entspricht, die an das Modell der Verstärkten Zusammenarbeit zu stellen sind.
"Verstärkte Zusammenarbeit sollte nur als ein letztes Mittel angewandt werden. Diese Voraussetzung ist in den Verhandlungen hinsichtlich der Patent-Sprachregelungen nicht erfüllt", lautet es in dem Schreiben. Ihrer Meinung nach rechtfertigt die Bedeutung des Themas für die Wettbewerbsfähigkeit Europas "den für die Erzielung des gewünschten Einvernehmens erforderlichen zusätzlichen Aufwand."
Sie fordern den Europäischen Rat dazu auf, "abzuwägen, ob die Verhandlungen fortgesetzt werden müssen, um zu einer Einigung zwischen allen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sprachregelung des EU-Patents zu gelangen."
Die Belgier sind stolz auf ihre Bemühungen zum Thema Patent und sehen in dem Ergebnis des letzten Rates für Wettbewerbsfähigkeit das "Sahnehäubchen auf dem Kuchen" ihrer EU-Ratspräsidentschaft. "Das EU-Patent war eine der Prioritäten unserer Präsidentschaft. Ich freue mich sagen zu können, dass wir es mit diesem wichtigen Ergebnis geschafft haben, zu einem Abschluss zu kommen", kommentierte Van Quickenborne.
Weitere Informationen:
Belgischer Ratsvorsitz der Europäischen Union:
http://www.eutrio.be/
Rat der Europäischen Union:
http://www.consilium.europa.eu/showPage.aspx?lang=DE
Der Vertrag von Lissabon:
http://europa.eu/lisbon_treaty/index_de.htm