Das französische Nationale Zentrum für wissenschaftliche Forschung CNRS (Centre national de la recherche scientifique) gründet eine Ombudsstelle, die mögliches wissenschaftliches Fehlverhalten in der größten französischen außeruniversitären Forschungseinrichtung prüfen soll. Dies gab das CNRS am 13. November 2018 bekannt.
Die Stelle wird auf Initiative des zu Anfang dieses Jahres berufenen CNRS-Präsidenten Antoine Petit eingerichtet und vom Physiker Rémy Mosseri geleitet. Fünf weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Verdachtsfälle prüfen und für gute wissenschaftliche Praxis werben. Zudem wurde ein Compliance-Beauftragter ernannt, der Jurist Joël Moret-Bailly. Er wird sich um weitergreifende Themen wie Integrität, Neutralität oder Laizität kümmern und ist Ansprechpartner für Whistleblower bei Gesetzesverstößen oder Interessenskonflikten. Im Dezember muss der CNRS-Verwaltungsrat die Einrichtung der Ombudsstelle noch bestätigen.
Es können weitere Expertinnen und Experten zur Prüfung hinzugezogen werden. Hier wird insbesondere auf mögliche Interessenskonflikte geachtet. Komplett anonymen Hinweisen wird die Ombudsstelle nicht nachgehen, vielmehr soll die Identität von Informantinnen und Informanten bestmöglich geschützt werden. Auch der CNRS-Präsident Petit wird ihre Namen nicht erfahren. So sollen insbesondere auch Nachwuchswissenschaftler/-innen ermutigt werden, Hinweise ohne Sorge um ihre weitere Karriere einzureichen. Noch unklar ist, wie die Expertinnen und Experten konkret ausgewählt und in welchem Umfang Untersuchungsergebnisse veröffentlicht werden. Auch ob Moret-Bailly seinen Posten im Ethikrat des CNRS abgeben wird, um möglichst unbefangen zu bleiben, bleibt offen.
2017 hat Frankreich eine nationale Agentur für wissenschaftliche Integrität (Office de l’Intégrité Scientifique, OFIS) gegründet, die beim Nationalen Evaluierungsrat für Forschung und Hochschulbildung HCERES (Haut conseil d'évaluation de la recherche et de l'enseignement supérieur) angesiedelt ist. Das OFIS hatte das CNRS bei den Vorbereitungen für die Ombudsstelle beraten. Ihr Vorsitzender, der Biologe Olivier Le Gall, sagte der Fachzeitschrift nature gegenüber: „Im Moment ist das Problem mit wissenschaftlichem Fehlverhalten, dass es so starke Emotionen hervorruft und der Ruf einer Person ungerechtfertigt geschädigt werden kann. Die Leute verlieren oft die Proportion ob ein Fehlverhalten als klein, ernsthaft oder sehr ernsthaft zu bewerten ist. Wir müssen von einem Verfahren nach Wild-West-Manier zu einer zivilisierteren, gründlichen und transparenten Rechtsstaatlichkeit gelangen.“ Während letztes Jahr nur zwei Dutzend französische Forschungseinrichtungen Beauftragte für dieses Thema ernannt hatten, sind es mittlerweile über 80.
Am CNRS gab es in den letzten Jahren mehrere Verdachtsfälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens, insbesondere im Bereich der Biologie. So musste die ehemalige CNRS-Interimspräsidentin und Molekularbiologin Anne Peyroche Anfang des Jahres aufgrund eines solchen Vorwurfs früher als geplant ihren Posten räumen. Das Verfahren läuft. 2015 gab es zudem einen Verdachtsfall bezüglich manipulierter Forschungsdaten in einem CNRS-Labor für molekulare Pflanzenbiologie in Straßburg. Im Oktober 2018 wurden die Untersuchungsergebnisse des CNRS und der ebenfalls involvierten ETH Zürich bekannt gegeben, die den ursprünglich verdächtigten Laborleiter entlasteten und zu dem Schluss kamen, dass einer seiner engen Mitarbeiter Daten manipuliert hatte. Bisher wurden Verdachtsfälle am CNRS hauptsächlich über das Onlineportal PubPeer öffentlich gemacht und diskutiert – allerdings häufig anonym. Petit hat sich explizit gegen dieses Vorgehen ausgesprochen, das er als „verleumdend“ empfindet und seinen Wissenschaftler davon abgeraten, sich dort einzubringen.
Zum Nachlesen
- Le Monde (20.11.2018): Le plan du CNRS pour lutter contre les tricheurs
- European Scientist (21.11.2018): France’s national research centre to launch office of research integrity