Aus Sicht der Biodiversitätsforschung ist 2010 ein Schaltjahr, denn man erhofft sich endlich die notwendige Aufmerksamkeit für das wahrscheinlich größte Problem der nächsten Generationen: Dem rasanten Schwund der biologischen Vielfalt. Auf dem "World Summit on Sustainable Development" 2002 in Johannesburg hatten die UN-Mitgliedstaaten des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) das frisch angebrochene Jahr als Zielmarke für eine deutliche Verminderung des dramatischen Verlusts der Biodiversität festgelegt. Doch der Schwund der Artenvielfalt geht weltweit unvermindert weiter. Und damit schwindet auch die Lebensgrundlage unserer eigenen Art. Wie viele andere Mitgliedsstaaten hat auch die Bundesregierung in der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS) von 2007 die Ziele konkretisiert. Doch an entschlossenem Handeln hapert es weiterhin. Auch in Deutschland, das derzeit den Vorsitz in der CBD innehat.
Nun haben die Vereinten Nationen 2010 zum Internationalen Jahr der Biodiversität erklärt, dessen Beginn die Bundesregierung am 11. Januar im Museum für Naturkunde in Berlin in internationalem Rahmen feiern wird. Der Begriff Biodiversität ist inzwischen kein Fremdwort mehr. Bereits zur Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Mai 2008 in Bonn (COP9) galt dem Thema eine hohe Aufmerksamkeit - seitens der Politik, der Medien und der Öffentlichkeit. Umweltminister Röttgen nannte den Schutz der Ökosysteme kürzlich die zweitwichtigste Herausforderung nach dem Klimawandel, denn die Vielfalt der Ökosysteme, der Tier- und Pflanzenarten und die genetische Vielfalt sind unverzichtbare Lebensgrundlagen.
10. internationale Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversität im Oktober in Japan
Da die 2010-Ziele verfehlt werden, wird nun analysiert, was die Gründe für den Misserfolg waren und was verbessert werden muss. Ähnlich einem Kyoto-Nachfolgeprotokoll im Klimabereich soll auch für den Erhalt der Biodiversität ein politischer Folgeplan aufgestellt werden. Hierbei ist auch der Beitrag deutscher Biodiversitätsforscher unverzichtbar. Bis Oktober zur internationalen Vertragstaatenkonferenz der CBD, der COP10, in Japan müssen konkrete Vorschläge für das weitere Vorgehen stehen. Bei der Trondheimkonferenz im Februar wollen Forscher aus aller Welt neue Wege aufzeigen. Die Sicht der deutschen Forschung soll beim "Post2010-Workshop" in Berlin gebündelt werden.
Es ist die Forschung, die das Wissen für politische Entscheidungen liefert
Um Erkenntnisse aus der Wissenschaft besser umzusetzen, müssen Forschung und Politik besser zusammenarbeiten. National als auch international werden deshalb derzeit Schnittstellen zwischen Politik und Forschung gefördert. So wurde im Sommer 2009 das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschlands etabliert, das eine bessere Vernetzung der Biodiversitätsforschung mit Politik und Öffentlichkeit erreichen soll.
Auf internationaler Ebene entscheiden sich die Vertragsstaaten im April für oder gegen ein wissenschaftliches Beratungsgremium zu Biodiversitätfragen, ähnlich dem Weltklimarat IPCC in Klimaangelegenheiten. Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) soll das Konsortium heißen.
Es geht also darum, wirkungsvolle Konzepte zu entwickeln, die eine Nutzung der Natur ohne ihre Zerstörung ermöglichen. Doch was kann die Forschung dazu beitragen? (siehe hierzu auch das Interview mit DIVERSITAS Deutschland Vorsitzender Prof. Elisabeth Kalko unter http://www.biodiversity.de).
Immer mehr ist es das Ziel großer Forschungsprojekte, der Praxis konkrete Handlungsoptionen an die Hand zu geben. So auch das Projekt BIOLOG Europa, das die biologische Vielfalt im Einfluss des Klimawandels im Zeitraum von zehn Jahren betrachtet hat. Ende März werden die Ergebnisse auf der Abschlusskonferenz in Berlin präsentiert und von hochrangigen Gästen aus Politik, Forschung und Medien diskutiert. Ein wichtiger Aspekt wird hierbei ein konkretes finanzielles Anreizsystem für Landnutzer sein, Naturschutzmaßnahmen in die Nutzung zu integrieren.
Netzwerk-Forum zur Biodiversität Deutschland bündelt Biodiversitätswissen für die Anwender
Aktive Unterstützung bei der Umsetzung der Ziele der CBD - das ist eine der Hauptaufgaben von DIVERSITAS Deutschland. Dieser Zusammenschluss von Forschern verschiedener Disziplinen und Institutionen befasst sich mit aktuellen Fragestellungen der Biodiversitätsforschung. Im Zentrum stehen gesellschaftsrelevante Probleme des Schutzes und der nachhaltigen Nutzung von Biodiversität. Der Verein möchte die Zusammenarbeit von Forschung, Praxis und Politik verbessern und das Bewusstsein für die Bedeutung der Biodiversität in der Öffentlichkeit stärken.
Netzwerk-Forum Biodiversitätsforschung Deutschland, kurz NeFo, ist das Kommunikationsinstrument von DIVERSITAS-Deutschland. Das NeFo-Internetportal http://www.biodiversity.de soll Politik, Medien und Öffentlichkeit einen Überblick über aktuelle Fragestellungen und Fakten der Biodiversitätsforschung zu aktuellen politische Themen geben. Hier werden wichtige Zusammenhänge hergestellt und Meinungsbilder aus der Forschung eingeholt. Aktuelle Meldungen und Termine aus Biodiversitätsforschung und -politik sowie thematische Grundlagen werden zielgruppenspezifisch angeboten. Das Service-Zentrum bietet Praxis- und Medienvertretern direkte Ansprechpartner für konkrete Fragen an die Wissenschaft und vermittelt wissenschaftliche Experten.
Das "Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland" ist ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Projektträgerschaft hat der Projektträger im DLR inne. Das Projekt wird maßgeblich durchgeführt durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Leipzig, das Museum für Naturkunde Berlin und die Universität Potsdam.
Wozu brauchen wir Biodiversität?
Es sind intakte Ökosysteme, die Menschen auf der Welt mit lebensnotwendigen Ökosystem-Dienstleistungen versorgen. Bisher wurden sie als selbstverständlich und unendlich betrachtet und stark übernutzt - vor allem durch Landnutzung, Entwaldung und Klimawandel. Doch immer deutlicher werden die Alarmzeichen, dass essenzielle Elemente und Funktionen wie sauberes Wasser, Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen, CO2-Speicherung oder Regen durch kühlende Wälder durch menschliche Aktionen gefährlich verknappt werden. Diese für den Menschen lebensnotwendigen Dienste werden inzwischen auch ökonomisch beziffert. Nach der TEEB-Studie (The Economics of Ecosystem Services and Biodiversity) ist der Erhalt der Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen in allen Fällen deutlich günstiger als deren Verlust durch andere Maßnahmen auszugleichen.
Kontakt:
Sebastian Tilch
Öffentlichkeitsarbeit Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ
Department Naturschutzforschung
Tel. 0341/235-1062
E-Mail: sebastian.tilch(at)ufz.de