Am 30. November haben sich die Ministerinnen und Minister für Bildung unter Leitung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek in einer informellen Videokonferenz getroffen. Aus Anlass der Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty wurde zunächst in einer Schweigeminute den Opfern der jüngsten Terroranschläge in Europa gedacht. Im Zentrum der Sitzung stand die Debatte zur Schaffung eines Europäischen Bildungsraums sowie ein Überblick über den Verhandlungsstand zu einzelnen Bildungsdossiers, allen voran Erasmus+. Vor Beginn der Sitzung haben die Ministerinnen und Minister die Osnabrücker Erklärung zur Zukunft der Berufsbildung angenommen. Zu dem Treffen erklärt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek:
„Wir haben heute im Kreise der Bildungsministerinnen und -minister mit einer Schweigeminute ein Zeichen gesetzt für Toleranz, Meinungsfreiheit, Pluralismus und Demokratie. Sie sind unsere europäischen Grundwerte und sie werden durch Bildung vermittelt. Samuel Paty wurde am 16. Oktober in Paris ermordet, weil er als Lehrer in seiner alltäglichen Arbeit die Grundsätze der Aufklärung gelehrt hat. Wir stehen fest hinter unseren europäischen Werten, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergeschrieben sind. Von dem heutigen Treffen geht das klare Signal aus: Wir stehen als Bildungsministerinnen und Bildungsminister in der Europäischen Union geschlossen hinter unseren Lehrerinnen und Lehrern. Gewalt und Terror haben in unseren europäischen Gesellschaften keinen Platz. Wir werden keinen Zentimeter zurückweichen und der Vermittlung des Wertefundaments unserer Europäischen Union, zu der die Meinungsfreiheit ohne Wenn und Aber gehört, weiterhin hohe Priorität einräumen. Wir stellen uns geschlossen gegen jede Form von religiösem Analphabetismus und Fanatismus.
Wir haben heute einen großen Schritt nach vorne gemacht zur Stärkung der beruflichen Bildung und zur Weiterentwicklung der digitalen Bildung in Europa. Besonders möchte ich die erfolgreiche Verabschiedung der Osnabrücker Erklärung durch die Ministerinnen und Minister betonen. Wir haben gemeinsam unseren großen Respekt und unsere Anerkennung für Menschen zum Ausdruck gebracht, die in der beruflichen Bildung täglich Großartiges leisten. Die Erklärung unterstreicht den Beitrag der Berufsbildung zur ökonomischen Erholung nach der COVID-19-Krise und zur Gestaltung einer digitalen und umweltfreundlichen Zukunft. Inklusion und Exzellenz sind zentrale Pfeiler einer modernen Berufsbildung, zu deren Umsetzung sich Mitgliedsstaaten, europäische Sozialpartner und die Europäische Kommission verpflichtet haben.
Die heutige Sitzung habe ich zum Anlass genommen, um eine erste Bilanz zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Bereich Bildung zu ziehen. Mir war wichtig, dass wir im zurückliegenden halben Jahr in Europa vor allem die höherqualifizierende, exzellente Berufsbildung in den Blick genommen haben. Wichtig war uns dabei der gute Austausch mit Sozialpartnern und Akteuren der Berufsbildung aus Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis. Bestimmendes Thema unser Ratspräsidentschaft war, wie wir gemeinsam die COVID-19-Pandemie in Europa bewältigen können. Die Krise hat das digitale Lernen verstärkt. Wir sollten diesen Schub mit ganzer Kraft zur Modernisierung unserer Bildungssysteme nutzen.
Bei all unseren Themen war mir die enge Abstimmung mit unseren Trio-Partnern Portugal und Slowenien wichtig. Ich freue mich daher darauf, dass die Entwicklung hin zu einem Europäischen Bildungsraum auch unter portugiesischer Ratspräsidentschaft weiter vorangehen wird.“
Auf der informellen Sitzung der EU-Bildungsministerinnen und Bildungsminister wurde zudem eine Ratsempfehlung zur beruflichen Bildung und Ratsschlussfolgerungen zur digitalen Bildung verabschiedet. Die Ratsschlussfolgerungen betonen die Bedeutung der digitalen Bildung für den individuellen Bildungsweg ebenso wie für das gesamte Bildungssystem. Sie gehen von einem ganzheitlichen Bildungsbegriff aus, der digitale Werkzeuge als wertvolle Mittel zum Zweck versteht. Dafür sollen Lehrkräfte entsprechend ausgebildet werden, pädagogische Konzepte entwickelt und Infrastrukturen ausgebaut werden. Die Ratsschlussfolgerungen unterstützen zugleich den neuen Digital Education Action Plan. Er ist der Fahrplan der Europäischen Kommission in der digitalen Bildung für die kommenden sieben Jahre.
Mit der Ratsempfehlung Berufliche Bildung werden die Weichen gestellt, durch die jeder Einzelne zeitgemäß auf den Arbeitsmarkt vorbereitet wird, durch z.B. flexible Aus- und Weiterbildung und eine Anpassung an digitalere und ökologischere Wirtschaft.
In der Orientierungsaussprache zum Europäischen Bildungsraum wurde zudem das gemeinsame Ziel betont, die Bildungssysteme Europas durch neue Ziele und Instrumente der Zusammenarbeit zukunftsfähig zu machen. Der allgemeinen und beruflichen Bildung kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, unsere künftige europäische Gesellschaft und Wirtschaft integrativer, widerstandsfähiger und nachhaltiger zu gestalten.
Hintergrund
Seit dem 1. Juli 2020 hat Deutschland turnusgemäß für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union inne. In dieser Funktion leitet die deutsche Delegation die Verhandlungen europäischer Gesetzesvorhaben und anderer Initiativen und kann außerdem eigene Schwerpunktthemen setzen. Das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fügt sich in das umfangreiche Programm des „Präsidentschafts-Trios“ von Deutschland, Portugal und Slowenien ein. Zum 1. Januar 2021 wird Portugal den Vorsitz im Rat übernehmen.
Zum Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gehören neben dem Vorsitz im Rat für Bildung und einer Vielzahl an Fachveranstaltungen auch sogenannte informelle Treffen der Fachminister, darunter die Minister für Bildung und Forschung. Am 16.-17. September 2020 fand in Osnabrück eine informelle Tagung der Ministerinnen und Minister für Bildung statt.
Die Videokonferenz der Bildungsministerinnen und –minister am 30. November 2020 wurde anstelle einer Sitzung des Rates für „Bildung, Jugend, Kultur und Sport“ (Teil Bildung) abgehalten, der aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht physisch abgehalten werden kann. Entscheidungen erfolgten deshalb im Ausschuss der Ständigen Vertreter.