StartseiteLänderEuropaVereinigtes Königreich (Großbritannien)Die Schwelle zur Krankheit verstehen: Charité und Max Delbrück Center leiten EU-Projekt zur Krankheitsfrüherkennung

Die Schwelle zur Krankheit verstehen: Charité und Max Delbrück Center leiten EU-Projekt zur Krankheitsfrüherkennung

Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Was wäre, wenn Krankheiten gar nicht erst entstünden? Wie genau verläuft der Übergang von Gesundheit zu Krankheit? Was sagen uns entzündliche Vorboten von Erkrankungen? Und wie beeinflussen Ernährung und Darmmikrobiom zusammen das Immunsystem? Unter der Leitung von Forschenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max Delbrück Centers suchen Teams in Deutschland und mehreren europäischen Ländern nach Strategien der Gesunderhaltung sowie nach Möglichkeiten, Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Die Europäische Union fördert das Projekt IMMEDIATE in den kommenden vier Jahren mit mehr als sieben Millionen EUR.

Am Anfang vieler organischer Krankheiten steht eine chronische Entzündung. Was bei diesem Übergang von gesund zu krank auf molekularer Ebene im Körper passiert, ist jedoch weitgehend unbekannt. Mit dem Vorhaben namens IMMEDIATE wollen europäische und israelische Forschende das im Verborgenen ablaufende Geschehen nun näher beleuchten und herausfinden, inwieweit es sich durch die Ernährung und das Mikrobiom des Darms so verändern lässt, dass sich Erkrankungen gar nicht erst entwickeln. Die Bezeichnung IMMEDIATE steht für "Imminent Disease Prediction and Prevention at the Environment Host Interface", übersetzt "Unmittelbare Krankheitsvorhersage und -prävention an der Schnittstelle zwischen Umwelt und Wirt".

Um individuelle Krankheitsrisiken abschätzen und rechtzeitig eingreifen zu können, sollen im Zuge der Arbeiten messbare Indikatoren, sogenannte Biomarker, gefunden werden, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Friedemann Paul, Direktor des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), eine gemeinsame Einrichtung von Charité und Max Delbrück Center. Dabei sollen zunächst die entzündlichen Prozesse, die der Fehlfunktion oder Schädigung eines Organs vorausgehen, besser verstanden werden. Außerdem sollen Biomarker identifiziert werden, anhand derer Prozesse nachgewiesen werden können, noch ehe es zu Krankheitssymptomen kommt. Hierfür werden die Forschenden unter anderem modernste Omics-Technologien anwenden und klinische Daten sowie Bioproben aus drei laufenden Beobachtungsstudien nutzen. Dabei handelt um die deutsche NAKO Gesundheitsstudie und um eine Kohorte von Patientinnen und Patienten der multizentrischen KTx360°-Studie an Transplantationszentren, denen eine Niere transplantiert und somit die Nierenfunktion neu gestartet wurde. Hinzu kommt eine spezifische israelische Kohorte.

Eine Vielzahl von Entzündungsmarkern will das Team bestimmen und Signaturen identifizieren, die mit Änderungen der Herz-Kreislauf- und Nierenfunktion sowie des Stoffwechsels in Zusammenhang stehen. Anschließend werden die Forschenden prüfen, ob sich diese Signaturen bei verschiedenen Erkrankungen ähneln oder voneinander unterscheiden. Parallel dazu wird sich eine Arbeitsgruppe am Max Delbrück Center und ECRC mit der Frage beschäftigen, ob ein bestimmter Darmkeim Entzündungen lindern kann. Das Ziel der Arbeitsgruppe ist es, zu verstehen, wie und warum Interventionen wie eine bestimmte Ernährung oder die Gabe spezieller Mikrobiotika die Zusammensetzung des Darmmikrobioms verändern und wie Stoffwechselprodukte der Mikroben das Immunsystem beeinflussen. Dieses Wissen soll es zukünftig ermöglichen, Krankheiten zu verhindern und Gesundheit gezielt zu fördern. Das Team wird die erforderlichen Infrastrukturen und Analysemethoden entwickeln, um die riesigen Mengen an Daten, die mit Omics-Technologien generiert werden, zu sammeln und mithilfe Künstlicher Intelligenz auszuwerten. Weitere Forschende der Charité und Arbeitsgruppen am Campus Berlin-Buch sind an dem umfangreichen Analysevorhaben beteiligt.

Die gewonnenen Erkenntnisse sollen in einem weiteren Schritt in der Praxis erprobt werden. Dazu plant das IMMEDIATE-Konsortium eigene Interventionsstudien – etwa eine Untersuchung mit rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die in einem Krankenhaus arbeiten. Da die Probandinnen und Probanden aufgrund ihres Jobs häufig viel Stress haben sowie meist unregelmäßig und eher ungesund essen, geht das Team um Privatdozentin Böttcher davon aus, dass ihre Entzündungswerte erhöht sind. Die Forschenden wollen unter anderem herausfinden, ob sich durch die Gabe der entzündungshemmenden Mikrobe Akkermansia muciniphila sowohl die Biomarker als auch das Wohlbefinden der Probandinnen und Probanden zum Positiven verändern lassen. Helfen sollen dabei mobile Apps, die das IMMEDIATE-Team in Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen entwickelt hat. Diese geben Feedback und liefern Anleitungen, um erprobte gesundheitsfördernde Maßnahmen leichter ins eigene Leben zu integrieren – auf dass ihre Nutzerinnen und Nutzer bereits vor der Schwelle zur Krankheit stehenbleiben und umkehren.

Über IMMEDIATE

Koordiniert wird der Verbund, an dem insgesamt zwölf europäische Einrichtungen beteiligt sind, von Prof. Dr. Friedemann Paul, Direktor des Experimental and Clinical Research Center (ECRC), eine gemeinsame Einrichtung von Charité und Max Delbrück Center. Finanziell unterstützt wird das neue Vorhaben im europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizont Europa (Grant Agreement No. ist 101095540) mit insgesamt rund 7,2 Millionen EUR. Die Charité erhält davon gut 1,6 Millionen EUR, das Max Delbrück Center rund eine Million EUR. Das European Research and Project Office (Eurice) ist an der Planung und Umsetzung des Großprojekts ebenfalls beteiligt. IMMEDIATE wird am 1. Januar 2023 starten und hat eine Laufzeit von 4 Jahren.

Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung der Charité und des Max Delbrück Centers Redaktion: von Franziska Schroubek, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: Israel Belgien Italien Polen Vereinigtes Königreich (Großbritannien) EU Themen: Förderung Lebenswissenschaften

Weitere Informationen

Projektträger