Extreme Kälte, tobende Stürme und eine scheinbar endlose Polarnacht.Die Antarktis zählt zu den faszinierendsten Lebensräumen der Welt. Gleichzeitig bestimmt sie maßgeblich unser Klima.Seit zehn Jahren ermöglicht die Neumayer-Station III deutsche und internationale Forschungsprojekte in der Antarktis. Nur wenige Kilometer entfernt von den beiden Vorgängerstationen wurde sie über zwei Sommersaisons errichtet und Anfang 2009 fertiggestellt. In einer Region, die selbst nach antarktischen Verhältnissen noch als dünn besiedelt gilt, führen die Observatorien an der Neumayer-Station III einzigartige Messreihen fort, die bis in die 1980er Jahre zurückgehen. Gleichzeitig kommen Jahr für Jahr neue Forschungsfragen hinzu. Dabei dient die Station auch als Ausgangspunkt für Expeditionen ins antarktische Hinterland, auf denen unter anderem Raupenkettenfahrzeuge und Polarforschungsflugzeuge des AWI zum Einsatz kommen.
„Der antarktische Kontinent trägt die größten Eismassen der Erde, das Südpolarmeer nimmt erhebliche Mengen von CO2und Wärme auf, daher ist die Forschung in dieser Region von elementarer Bedeutung. Um die globalen Veränderungen zu verstehen, sammeln wir an der Neumayer-Station III Daten über lange Zeiträume – von minutengenauen Wetterbeobachtungen bis hin zur Erforschung der Klimageschichte anhand von Eisbohrkernen. Zudem unterstützen wir Beobachtungen der antarktischen Lebensvielfalt, von Pinguinkolonien bis zu den Kaltwasserkorallen unter dem dicken Schelfeis“, betont AWI-Direktorin Antje Boetius.
Im Meteorologie-Observatorium der Station werden zum Beispiel regelmäßig Sonden an einem Wetterballon gestartet, um Temperatur, Luftfeuchte, Luftdruck, Wind und die Verteilung von Ozon in der Atmosphäre zu messen. Weitere Schwerpunkte bilden Forschungen zur Luftchemie, zum Magnetfeld der Erde, zum Meereis und zu einer Kolonie von Kaiserpinguinen. Seit 2017 wird an der Neumayer-Station III unter Projektleitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt das Gewächshaus EDEN-ISS getestet. Essoll neue Wege bereiten, um Nutzpflanzen auch im All und in klimatisch ungünstigen Regionen anbauen zu können. So gab es diesen Winter erstmals regelmäßig frischen Salat für das Überwinterungsteam. Außerdem betreibt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hier eine von weltweit 60 Infraschallstationen, die einen Beitrag zur Kontrolle des Kernwaffenteststopp-Vertrags bildet. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) ist ebenfalls an der Neumayer-Station angesiedelt und ermöglicht mit seinen Vorhersagen sicheres Arbeiten auch außerhalb der Station. Darüber hinaus berät der DWD im Dronning Maud Land genannten Teil der Antarktis internationale Partner beispielsweise aus Russland, Norwegen und Südafrika mit Flugwettervorhersagen.
Derzeit führt eine vierzehnköpfige Delegation unter der Leitung des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Dr. Michael Meister, eine Inspektionsreise zur Neumayer-Station III durch.
„Von der Notwendigkeit und der Relevanz der Polarforschung für uns alle können wir uns in diesen Tagen persönlich überzeugen. Wir brauchen vertiefte Kenntnisse über polare Prozesse, um das globale Klima und seine Veränderungen besser zu verstehen und Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltige politische Entscheidungen. Ich danke allen Expertinnen und Experten aus Forschung, Technik und Logistik für ihren Einsatz unter diesen unwirtlichen Bedingungen“, betont der Parlamentarische Staatssekretär Meister.
„Helmholtz leistet mit seinen interdisziplinär ausgerichteten Zentren und seinen beeindruckenden Forschungsinfrastrukturen wichtige Beiträge zur Lösung großer Herausforderungen unserer Zeit“, sagt Otmar D. Wiestler, der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. „Die langfristige Forschung der Neumayer-Station III in der Antarktis ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Von den einmaligen Möglichkeiten, die diese Station bietet, profitieren zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen, etwa die Wetter- und Klimaforschung, die Weltraumforschung, Biologie, Geologie und viele weitere. Sie alle tragen letztlich dazu bei, unsere Lebensgrundlagen zu schützen oder zu verbessern. Ich freue mich, die Arbeit auf dieser außerordentlichen Forschungsstation jetzt persönlich erleben zu können.“
Hintergrund Neumayer-Station:
Seit 1981 betreibt das AWI ganzjährig eine Forschungsstation in der Antarktis. Benannt nach dem deutschen Polarforscher Georg von Neumayer wurde 1981 die Georg-von-Neumayer-Station in Betrieb genommen. 1992 wurde sie durch die Neumayer-Station ersetzt, die wie ihre Vorgängerstation eine Röhrenkonstruktion war. Die jetzige Neumayer-Station III ist die größte und komfortabelste Station in der Geschichte der deutschen Antarktisforschung. In den Sommermonaten finden hier rund 50 Personen Platz. Die Überwinterungsteams setzen sich in der Regel aus neun Personen zusammen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Forschungsstationen in der Antarktis beherbergt sie so gut wie alle Arbeitsflächen, Aufenthaltsräume und Vorräte zentral unter einem Dach. Sowohl beim Bau als auch beim Betrieb wurden höchste Umweltschutz-Standards berücksichtigt. Die erzeugte Energie bleibt soweit wie möglich in einem geschlossenen System und wird somit optimal genutzt. Wenn die Station ihr vorgesehenes Alter erreicht hat, kann sie zudem bis auf die letzte Schraube rückgebaut werden, sodass die Spuren der Forschung in dieser schützenswerten Region so gering wie möglich bleiben.
Die Lage verlangt dem Bauwerk allerdings harte Bedingungen ab. Rund 40 Zentimeter schiebt sich das Schelfeis jeden Tag in Richtung Küste und gibt damit ein natürliches Verfallsdatum vor. So wird auch der Untergrund, auf dem die Station steht, in der Zukunft als Eisberg abbrechen – bei gleichbleibender Fließgeschwindigkeit des Eises dauert dies aber noch über 100 Jahre. Außerdem müssen Gebäude in der Antarktis einen endlosen Zutrag an Schnee aushalten. Die Neumayer-Station III passt sich in dieser Hinsicht jedoch optimal ihrer Umgebung an. Im Gegensatz zu den beiden Vorgängerstationen droht sie nicht, im Laufe der Zeit von den Schneemassen zerdrückt zu werden. Stattdessen wird die Station von 16 hydraulischen Stützen getragen. Regelmäßig heben Techniker damit das gesamte Gebäude an. So wächst es mit der Schneedecke und die Plattform liegt immer circa sechs Meter über dem Eis. Diese ausgefeilte Technik beschert der Station eine deutlich längere Lebenszeit als die beiden Vorgänger – mindestens bis 2035 soll sie noch im Einsatz bleiben.
Zum Nachlesen
- BMBF (10.04.2018): Polarforscher ernten frisches Gemüse in der Antarktis