Auf der Konferenz wurde zu Beginn an die Unterzeichnung der Sorbonne-Erklärung durch Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien vor 20 Jahre in Paris erinnert. Die Erklärung begründete die Idee für einen Europäischen Hochschulraum (European Higher Education Area, EHEA) und setzte den Prozess der Harmonisierung von Hochschulabschlüssen und gegenseitiger Anerkennung von Lehrinhalten mit dem Ziel verstärkter Studierendenmobilität in Gang. Sie geht auf die Initiative des damaligen französischen Bildungs- und Wissenschaftsministers Claude Allègre zurück.
Während der Tagung diskutierten die 47 anwesenden Minister der 48 Mitgliedsstaaten des EHEA (zum Zeitpunkt der Konferenz gab es keinen amtierenden italienischen Bildungsminister) über die seitdem erreichten Ziele und die Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses. Auch Bildungsminister aus Nicht-Mitgliedsstaaten des EHEA wie etwa Japan, Irak oder Katar waren angereist.
2015 waren zur letzten Konferenz in Jerewan nur sechs EHEA-Minister angereist. Auch wenn im Abschluss-Communiqué deutlich wird, dass einige Mitgliedsstaaten die Grundwerte des EHEA in Frage stellen und insgesamt unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Umsetzung der Reform zu beobachten sind, zeigten sich die Minister entschieden, den gemeinsamen Weg fortzuführen. Die Bologna-Beauftragte des federführenden französischen Ministeriums für Hochschulwesen, Forschung und Innovation (Ministère de l’enseignement supérieur, de la recherche et de l’innovation, MESRI), Simone Bonnafous, erklärte, die Strukturreformen seien zu großen Teilen abgeschlossen. Nun müsse es darum gehen, wie der europäische Hochschulraum konkret umgesetzt werden soll: „Wie lehren? Wie passt man sich neuen Zielgruppen an? Wie lernt man zu lernen, Personen für die Herausforderungen der Zukunft auszubilden? Wie ziehen wir Studierende aus der ganzen Welt an?“
Um den Bologna-Prozess voranzubringen, haben sich die Minister auf eine „strukturierte Peer-to-Peer-Unterstützung, die auf Solidarität, Kooperation und gegenseitigem Lernen basiert“ geeinigt. 2018-2020 werden drei Facharbeitsgruppen zu den folgenden Kernengagements des Bologna-Prozesses arbeiten:
- Kompatibilität der drei Zyklen Bachelor/Master/Promotion mit dem allgemeinen Qualifikationsrahmen des EHEA und mit den von ECTS-Punkten strukturierten ersten beiden Zyklen
- Konformität mit der Lissabon-Konvention (Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region)
- Qualitätssicherung in Anlehnung an Standards und Richtlinien für Qualitätssicherung in der EHEA
Erstmals seien auch die Möglichkeiten neuer pädagogischer Ansätze und das Thema Inklusion besprochen worden. Das sei neu, so Bonnafous. Dahinter steht die Frage, wie mit neuen Zielgruppen umgegangen werden kann und im Abschluss-Communiqué wird darauf verwiesen dass die Digitalisierung hier eine wichtige Rolle spielen werde. Darüber hinaus haben die Minister folgende Maßnahmen beschlossen:
- strukturierte Peer-to-Peer-Unterstützung zur Umsetzung der drei Kernengagements des Bologna-Prozesses (siehe oben)
- eine Weißrussland-Strategie für 2018 bis 2020 (Weißrussland ist mit Beitrittsdatum 2015 das jüngste EHEA-Mitglied)
- Kurzstudiengänge als eigene Qualifizierungsstufe innerhalb des EHEA-Qualifizierungsrahmens (Qualifications Frameworks in the European Higher Education Area, QF-EHEA)
- Überarbeitung des Diploma Supplements inklusive Empfehlungen zur entsprechenden Anpassung in der Lissabon-Konvention und Europass
Ausführlich besprochen wurde auch der Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vom September 2017, europäische Hochschulnetzwerke in Form „Europäischer Universitäten“ zu gründen. Die Europäische Kommission wird dazu voraussichtlich im Herbst 2018 eine Pilotausschreibung veröffentlichen. Bekannt ist bereits, dass mindestens drei Länder an einem Netzwerk beteiligt sein müssen. Ob dies alle Mitgliedsstaaten des EHEA – also beispielweise auch die Schweiz, Russland oder die Türkei – oder nur die EU-Mitglieder umfasst, ist noch offen. Das Netzwerk darf jedoch nicht ausschließlich aus bereits international erfolgreichen und als exzellent angesehenen Hochschulen bestehen.
Die französische Ministerin für Hochschulwesen, Forschung und Innovation Frédérique Vidal erklärte zudem, dass Frankreich mindestens 100 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren für die Europäischen Universitäten zur Verfügung stellt. Die Mittel sollen aus dem Programm für Zukunftsinvestitionen PIA freigestellt und an französische Hochschulen ausgeschüttet werden, die sich an einem der Netzwerke beteiligen. Die deutsche Bildungsministerin Anja Karliczek kündigte ihrerseits an, dass Deutschland die von der EU-Kommission zur Verfügung gestellten Mittel ergänzen wird. Sie nannte keine konkrete Summe.
Frankreich hat von 2015 bis 2018 die Verantwortung für das Sekretariat der Bologna Follow-up Group (BFuG). In dieser Funktion organisierte das federführende MESRI die Ministerkonferenz. Davor war Armenien für das Sekretariat verantwortlich. Ab 2019 übernimmt Italien das Sekretariat.
Zum Nachlesen
- Abschluss Communiqué (25.05.2018)
- Educpros.fr (28.05.2018): 20 ans après, le processus de Bologne mise sur l'innovation pédagogique