Die beiden größten studentischen Gewerkschaften FAGE (Fédération des associations générales étudiantes) und Unef (Union nationale des étudiants de France) veröffentlichen jährlich jeweils eine Studie zu den Lebenshaltungskosten der Studierenden in Frankreich zum aktuellen Wintersemester. Die Untersuchungsmethoden unterscheiden sich, aber beide kommen zu dem Ergebnis, dass das Studieren in Frankreich teurer wird.
Die FAGE hat für ihre Studie die Kosten zu Semesterbeginn eines 20jährigen Bachelor-Studierenden an einer Universität zugrunde gelegt, der nicht mehr zuhause wohnt und keine Studienbeihilfe erhält. Er muss laut FAGE 1,93 Prozent mehr ausgeben als im Vorjahr. Hierfür sind vor allem die gestiegenen Lebenshaltungskosten von 2,73 Prozent verantwortlich. Die Unef hingegen hat vier typische Studierendenprofile miteinander verglichen und ihre Kosten für das gesamte akademische Jahr ermittelt. Sie geht davon aus, dass ein Studierender durchschnittlich 2,83 Prozent mehr ausgeben muss als im Vorjahr. Die Inflation steige demgegenüber nur um 1,2 Prozent, so die Unef.
Hauptgrund für die gestiegenen Kosten – so beide Gewerkschaften – seien die Mieten, die besonders in Städten wie Bordeaux, Rennes oder Mulhouse seit Jahren zunehmen. Die Kosten für öffentliche Transportmittel blieben hingegen stabil (FAGE) bzw. steigen nur in einigen Städten (Unef). Weiterhin kosten laut den Gewerkschaften Freizeit, Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs mehr. Auch bestimmte Universitätsgebühren, Studienmaterialien oder das Mensaessen würden teurer, wenn auch in geringerem Ausmaß.
Die FAGE fordert die Einführung einer Beihilfe, die Studierenden ein Leben ohne Nebenjob und Abhängigkeiten ermöglicht und sich nach der Situation des Studierenden und dem Einkommen seiner Eltern errechnet. Die Unef fordert wie auch in den vergangenen Jahren, die Zahl der Beihilfe-Berechtigten zu erhöhen und die Studienbeihilfe um 20 Prozent anzuheben. Diese wird vom zuständigen Ministerium für Hochschulbildung, Forschung und Innovation MESRI zum Wintersemester zwar um durchschnittlich 1,1 Prozent bzw. insgesamt 46 Millionen Euro angehoben, liegt mit dieser Erhöhung aber immer noch unter der Inflationsrate.
Die Ministerin für Hochschulbildung, Forschung und Innovation Frédérique Vidal betonte im Radiosender RTL, die Lebensbedingungen der Studierenden seien eine Priorität für ihr Ministerium. Zusammen mit dem Staatssekretär des Bildungsministeriums, Gabriel Attal, arbeite sie im Rahmen der Pläne zum „Grunderwerbseinkommen“ (Revenu universel d'activité) an einem Konzept für Studierende. Das Grunderwerbseinkommen ist ein Wahlversprechen von Staatspräsident Emmanuel Macron und soll verschiedene Sozialleistungen wie etwa die Sozialhilfe und Wohngeld, aber auch Mindestrente oder die Beihilfe für behinderte Erwachsene ersetzen. Bisher können diese Beihilfen erst ab 26 Jahren beantragt werden, über eine Erweiterung für 18- bis 25-Jährige im Rahmen des Grunderwerbseinkommens wird aktuell diskutiert.
Beide Gewerkschaften lehnen auch die dieses Jahr eingeführte Erhebung von Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Staaten ab. Die FAGE bewertet die Maßnahme als „ungerecht“. Es sei nicht an den Studierenden, die staatliche Unterfinanzierung der Hochschulbildung auszugleichen.
Zum Nachlesen (Französisch)
- Le Monde (19.08.2019): Les organisations étudiantes s’inquiètent de la hausse du coût de la rentrée et de la vie universitaire
- RTL (20.08.2019): Vidal annonce sur RTL 46 millions d'euros supplémentaires pour les étudiants boursiers
- Le Monde (04.09.2018): Le coût de la rentrée étudiante est-il en hausse ou en baisse?