Bildung auf einen Blick 2020 (Education at a Glance 2020) bietet vergleichbare nationale Statistiken, die den Stand des Bildungswesens weltweit messen. Der Bericht analysiert die Bildungssysteme der 37 Mitgliedsländer der OECD sowie Argentiniens, Brasiliens, Chinas, Costa Ricas, Indiens, Indonesiens, der Russischen Föderation, Saudi-Arabiens und Südafrikas. So betrugen im Jahr 2017 beispielsweise die gesamten öffentlichen Ausgaben für Grund- und Hochschulbildung im Verhältnis zu den gesamten Staatsausgaben in den OECD-Ländern durchschnittlich 11 %, wobei der Anteil zwischen etwa 7 % in Griechenland und rund 17 % in Chile lag.
Der Bericht und eine begleitende Broschüre zur Analyse der Auswirkungen der Corona-Krise kommen zu dem Schluss, dass die COVID-19-Krise die vielen Unzulänglichkeiten und Ungleichheiten in den Bildungssystemen weltweit verdeutlicht hat. So wurde der Bereich der beruflichen Bildung besonders schwer von der Krise getroffen. Während Regierungen damit beginnen, ihre Volkswirtschaften und die Lebensgrundlagen der Menschen wieder aufzubauen, sei es von entscheidender Bedeutung, dass langfristige öffentliche Bildungsausgaben weiterhin Priorität haben, um sicherzustellen, dass jeder Jugendliche die gleiche Chance hat seinen Bildungsweg erfolgreich fortzusetzen. Insgesamt herrscht noch Ungewissheit über die Gesamtauswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Bildungsausgaben und die Regierungen stehen daher vor schwierigen Entscheidungen über die Zuweisung öffentlicher Mittel, da das Wirtschaftswachstum gebremst wurde, die Steuereinnahmen sinken und die Gesundheits- und Sozialkosten steigen.
Berufliche Bildung
Junge Menschen beginnen heute im Schnitt der OECD-Länder seltener eine Berufsausbildung und dafür häufiger ein akademisches Studium als ihre Elterngeneration. Zwar lässt sich dieser Trend auch in Deutschland beobachten, jedoch entscheiden sich hierzulande mit 46 Prozent aller Schülerinnen und Schüler des Sekundarbereichs II weiterhin recht viele für einen berufsbildenden Weg – vier Prozent mehr als im OECD-Schnitt. Fast alle von ihnen (89 Prozent) sind in dualen Ausbildungsgängen eingeschrieben, die ihnen ein Zusammenspiel von schulischem und betrieblichen Lernen ermöglichen – fast dreimal so viele wie im OECD-Mittel (34 Prozent).
OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher:
„Viele der Berufe, die während des Lockdowns das Rückgrat unserer Wirtschaft bildeten, hängen von berufsbildenden Qualifikationen ab. Das bleibt Deutschlands große Stärke, denn insgesamt funktioniert die Abstimmung zwischen Bildung und Arbeitsmarkt gut und der Übergang ins Erwerbsleben klappt. Jetzt geht es darum, diese Ausbildungswege fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Dazu gehört auch, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um neue Lernangebote zu schaffen – nicht nur dann, wenn uns eine Krise dazu zwingt.“
Nach wie vor sind die Berufsaussichten für Absolventinnen und Absolventen von beruflichen Ausbildungsgängen in Deutschland gut. In 2019 waren 88 Prozent der 25- bis 34-Jährigen mit einem Berufsabschluss der Sekundarstufe II oder mit einer postsekundären Berufsausbildung beschäftigt. Ihr Beschäftigungsniveau ist damit genauso hoch wie das ihrer Altersgenossen mit einem tertiären Bildungsabschluss.
Deutschland hat die berufliche Bildung auch anschlussfähiger gemacht: Den meisten Absolventinnen und Absolventen steht der Übergang in höhere Bildungsgänge offen, im OECD-Vergleich gilt das nur für etwas mehr als zwei Drittel. Allerdings wird diese Möglichkeit noch nicht so oft genutzt wie in anderen Ländern, etwa der Schweiz.
Tertiäre Bildung
Insgesamt hält auch in Deutschland der Trend hin zu akademischer oder höherer beruflicher Bildung an: In den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil junger Menschen mit einem solchen Tertiärabschluss um acht Prozentpunkte erhöht. Bei der Anfängerquote für tertiäre Bildungsgänge liegt Deutschland mit 45 Prozent inzwischen nah am OECD-Mittel von 49 Prozent.
Ein Grund für die Attraktivität höherer Bildungsabschlüsse sind die Einkommensvorteile, die sich damit erzielen lassen. Ganzjährig Vollzeitbeschäftigte mit einem tertiären Abschluss verdienen in Deutschland etwa 61 Prozent mehr als solche, die nur eine Berufsausbildung oder Abitur als höchsten Bildungsabschluss vorweisen können. Im OECD-Mittel liegt der Gehaltsvorsprung bei 54 Prozent. Über das Gehalt hinaus legen die Zahlen für Menschen mit Tertiärabschluss einen weiteren Vorteil nahe. So teilen rund 61 Prozent der in Deutschland befragten Erwachsenen mit Tertiärabschluss die Einschätzung, dass sie bei dem, was die Regierung macht, mitreden können. Unter den Personen mit Bildungsstand unterhalb eines Sekundar-II-Abschlusses geben dies nur 36 Prozent an.
Internationale Studierendenmobilität
Die OECD zeigt sich besorgt, dass die COVID-19-Krise die internationale Mobilität von Studierenden längerfristig beinträchtigen könnte. So zögerten Studierende, Geld und Zeit für Studien an ausländischen Hochschulen zu investieren, wenn ein Großteil der Lehrveranstaltungen nur online angeboten werde. Insgesamt wirkt sich laut OECD jeder Rückgang an Studierenden aus dem Ausland negativ auf entsprechende Bildungsangebote der Hochschulen im Folgejahr aus. Um auch weiterhin für internationale Studierende attraktiv zu bleiben, müssten die Universitäten neue Lehr-/ bzw. Lernkonzepte erarbeiten, damit die Digitalisierung den direkten Austausch von Studierenden und Dozenten sowie zwischen den Studierenden erweitert und ergänzt, aber nicht ersetzt.
Während internationale Studierende im Durchschnitt 6 % aller Studierenden in den OECD-Ländern ausmachen, liegt dieser Anteil in Deutschland bei 10 %, und in Australien, Luxemburg und Neuseeland bei 20 % oder mehr. Besonders hoch ist die internationale Mobilität von Studierenden auf Promotionsniveau. Im OECD-Mittel begibt sich jeder fünfte Promotionsstudierende ins Ausland.
Bildungsausgaben
Bei den Bildungsausgaben befindet sich Deutschland mit etwa 13.500 US-Dollar pro Vollzeitbildungsteilnehmer über dem OECD-Durchschnitt von ca. 11.200 US-Dollar (jüngste Zahlen von 2017). Gemessen am Bruttoinlandsprodukt gibt Deutschland mit 4,2 Prozent allerdings etwa 0,7 Prozentpunkte weniger aus (2017). Die Ausgaben pro Schülerin und Schüler fallen in Deutschland bei den berufsbildenden Bildungsgängen des Sekundarbereichs II besonders hoch aus, wo sie etwa 40 Prozent über dem OECD-Mittel liegen. Die Wirtschaft leistet hier einen wesentlichen Beitrag. Im Primarbereich entsprechen die Ausgaben pro Schülerin und Schüler etwa dem OECD-Durchschnitt, im Sekundar-I-Bereich liegen sie um 14 Prozent höher. Im Tertiärbereich liegt Deutschland über dem Durchschnitt, wenn die Ausgaben für Forschung- und Entwicklung mitgezählt werden. Werden sie ausgeklammert, sind die deutschen Ausgaben pro Bildungsteilnehmer im Tertiärbereich etwas unter dem Durchschnitt.
Die vollständige Studie auf Deutsch und Englisch sowie Ländernotizen für Deutschland, Österreich und die Schweiz sind abrufbar unter www.oecd.org/berlin/publikationen/bildung-auf-einen-blick.htm.
Zum Nachlesen
- OECD: Education at a Glance 2020 - OECD Indicators
- OECD: The Impact of COVID-19 on Education - Insights from Education at a Glance 2020
- OECD Berlin Centre (08.09.2020): Deutschlands traditionsreiche Berufsbildung braucht Digitalisierung und Modernisierung – dann bleibt sie auch im 21. Jahrhundert stark
- OECD (08.09.2020): Education critical to build a more resilient society
- BMBF: Bildung auf einen Blick 2020 - OECD-Indikatoren
- BMBF / Kultusministerkonferenz (KMK): Presse-Hintergrundpapier
- BMBF (08.09.2020): OECD-Bericht: Berufliche Bildung punktet im internationalen Vergleich
- The Pie News (09.09.2020): Covid-19 may have “dire consequences” for int’l mobility – OECD