StartseiteAktuellesNachrichtenStudium und Forschung in den USA: Sorge um "Brain Drain" wächst

Studium und Forschung in den USA: Sorge um "Brain Drain" wächst

Berichterstattung weltweit Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Seit der Amtsübernahme von Präsident Trump sind Bundesforschungseinrichtungen und die Hochschulen in den USA von einer Reihe von Maßnahmen betroffen. Dazu zählen Streichungen und Kürzungen von Programmen, Entlassungen und nun auch der Widerruf von Hunderten von Studierendenvisa. In der Folge wächst die Sorge an den US-amerikanischen Hochschulen, dass viele internationale Studierende künftig fernbleiben und einheimische wie internationale Forschende abwandern könnten. Die Frage, inwieweit andere Länder und Regionen von einer möglichen Abwanderung von Forschenden aus den USA profitieren oder diese sogar gezielt fördern sollten, ist Gegenstand von Diskussionen.

Streichungen und Kürzungen von wissenschaftlichen Programmen in den USA erfolgen teilweise im Rahmen von allgemeinen Sparmaßnahmen, teilweise auch im Rahmen inhaltlicher Neuausrichtungen wie der Abkehr vom Klimaschutz. Zusätzlich setzt die Regierung gegenüber den Hochschulen auch auf das gezielte Einfrieren von Bundesmitteln zur Durchsetzung bestimmter politischer Ziele. Dazu gehört eine von der Administration gewünschte Zulassungs- und Einstellungspraxis an den privaten Hochschulen, die alleine auf leistungsorientierte („merit-based“) Kriterien setzt und DEI-bezogene („Diversity, Equity and Inclusion“) Kriterien völlig außeracht lässt.

Verbunden mit der Bekämpfung von Antisemitismus hat die Regierung darüber hinaus Visa für Hunderte von internationalen Studierenden und Graduierten aufgehoben (siehe Tracker Inside HigherEd: International Students Visa Revoked). Grund für einen Widerruf der Visa sind teilweise auch Verkehrsdelikte wie beispielsweise zu hohe Geschwindigkeit oder Alkohol am Steuer.

Nun gibt es erste Anzeichen dafür, dass einige Studierende mit internationalen Ambitionen das Interesse an den USA als Zielland verlieren und dass Forschende vor Ort erwägen, die USA zu verlassen. Das Informationsportal StudyPortals registrierte seit Anfang Januar einen Rückgang der Informationssuchen zu Master- und Promotionsstudiengängen in den USA um mehr als 40 Prozent, während gleichzeitig die Anfragen von Studierenden aus den USA nach möglichen Auslandsstudien stark zulegten. Hochschulen in den USA könnten durch das Fernbleiben internationaler Studierender ähnlich wie in Zeiten von Corona eine wichtige Einnahmequelle in Form von Studiengebühren verlieren.

Das Wissenschaftsmagazin Nature hat derweil Forschende in den USA im März im Rahmen einer Umfrage zu Plänen für eine Abwanderung ins Ausland befragt. Drei Viertel der 1.600 Teilnehmenden bestätigten tatsächlich eine solche Absicht, wobei ein Schwerpunkt auf dem wissenschaftlichen Nachwuchs (Graduierte und Promovierende) lag. Auch die Präsidentin der US National Academy of Sciences, Marcia McNutt, äußerte sich angesichts der Kürzungen besorgt über die Fähigkeit des US-Forschungssystems, künftig exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden und zu halten.

Als beliebte Abwanderungsziele für Forschende wurden in der Nature-Umfrage Kanada und Europa benannt. Mögliche Zielländer und -regionen gehen unterschiedlich mit der Situation um. Einzelne europäische Länder (z.B. Finnland, Schweden und Spanien) und einzelne Hochschulen (z.B. Université Aix-Marseille) haben bereits Programme aufgelegt, die für Forschende aus dem Ausland neue Perspektiven vor Ort eröffnen. Andere Programme sind noch in Planung oder in der Diskussion, so auch in Deutschland. Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD sieht etwa ein „1000 Köpfe“-Programm vor, um die Anwerbung von Top-Forschenden aus dem Ausland zu erleichtern. In einigen der genannten Beispiele gibt es einen expliziten Fokus auf die USA, vielfach sind auch andere Länder mit einbezogen.

In einem gemeinsamen Brief richteten sich Wissenschaftsministerinnen und -minister aus 13 europäischen Ländern – darunter auch Deutschland – an EU-Forschungskommissarin Ekaterina Zaharieva. In diesem fordern sie bestehende Förderinstrumente der EU für Forschende aus Nicht-EU-Ländern zu öffnen, deren Arbeit durch Mittelkürzung oder die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit bedroht ist. Der Vorschlag benennt beispielhaft Instrumente des European Research Council (ERC), Marie Skłodowska-Curie Actions (MSCA) sowie die ERA Talents Platform in Kombination mit gezielten Einwanderungsmaßnahmen. Eine erste Maßnahme wurde für den ERC bereits beschlossen: Die maximale Fördersumme für Forschende, die aus Drittländern (inkl. der USA) in die EU kommen, wurde von 1 Million Euro auf 2 Millionen verdoppelt. Zudem soll noch in diesem Jahr der Pilot eines neuen MSCA-Programms namens „Choose Europe“ starten, das unter anderem zum Ziel hat, Nachwuchsforschende weltweit für eine Wissenschaftskarriere in Europa zu gewinnen. 

Währenddessen gibt es auch Mahnungen von Seiten der US-Wissenschaft. Ein Editorial des Wissenschaftsmagazins Nature vom April unterstreicht, dass sich eine Vielzahl von permanenten Abwanderungen für die Zukunft des US-Wissenschaftssystem als desaströs erweisen könnte. Europäische Länder sollten die Situation daher nicht nur als eine Gelegenheit zur Abwerbung verstehen, sondern sich auch mit den vor Ort in den USA verbleibenden Forschenden solidarisch zeigen und mit diesen weiter zusammenarbeiten. In diesem Sinne haben der Wissenschaftsrat und die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) kürzlich ihre Solidarität mit Einrichtungen und Forschenden in den USA bekundet.

Zum Nachlesen

Quelle: Handelsblatt, Inside HigherEd, National Academy of Sciences, Nature, Science|Business, Studpyortals, University World News, Wissenschaftsrat Redaktion: von Sonja Bugdahn, DLR Projektträger und Tim Mörsch, VDI Technologiezentrum GmbH Länder / Organisationen: USA Deutschland EU Global Themen: Bildung und Hochschulen Fachkräfte Förderung Strategie und Rahmenbedingungen

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Großaufnahme Kompass mit Flagge der USA an Flaggenmast

© Shutterstock / sundaemorning

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