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Französische Forschungsagentur ANR: Rücktritt des Präsidenten

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Der Präsident und Generaldirektor der ANR, Michael Matlosz hat seine Kündigung beim Ministerium für Hochschulwesen, Forschung und Innovation MESRI eingereicht. Er wird bis auf weiteres kommissarisch von Arnaud Torres vertreten, der bei der ANR für die großen staatlichen Investitionsprogramme verantwortlich ist.

Wie das französische Ministerium für Hochschulwesen, Forschung und Innovation MESRI (Ministére de l’enseignement supérieur, de la recherche et de l’innovation) am 18. Juli 2017 mitteilte, hat Michael Matlosz bei der zuständigen Ministerin Frédérique Vidal in beiderseitigem Einvernehmen seine Kündigung als Präsident und Generaldirektor der ANR (Agence nationale de la recherche) eingereicht. Die Kündigung trat zum 21. Juli 2017 in Kraft. Der Experte für chemische Verfahrenstechnik hatte den Posten seit September 2014 inne. Das Ministerium dankte Matlosz in der entsprechenden Pressemitteilung für seine Arbeit, insbesondere im Rahmen der Umstrukturierung der Agentur, bei der Vereinfachung der Bewerbungsprozesse, der aktuellen Ziel- und Leistungsvereinbarung mit dem Ministerium sowie der gesteigerten Effizienz der ANR bei der Umsetzung der Programme des PIA (Programm für Zukunftsinvestitionen). Wie das MESRI weiter mitteilte, wurde Matlosz von der Ministerin mit der Bewertung der verschiedenen öffentlich-rechtlichen Möglichkeiten zur Forschungsförderung beauftragt. Auf Basis seines Berichts sollen bis Februar 2018 innovative Vorschläge erarbeitet werden.

Die Pressemitteilung schließt mit der Aussage, die ANR habe weiterhin die volle Unterstützung der Ministerin. Es sei eine Neuausrichtung nötig, die Agentur müsse sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und vor allem wissenschaftliche Exzellenz sowie die Umsetzung in den Innovationssektor fördern. 

Die Tageszeitung Le Monde hat über Matlosz‘ Rücktritt berichtet. Laut ihr ist er das Ergebnis einer tiefen Krise der Agentur in Folge einer Reihe von Organisationsproblemen und Konflikten zwischen dem Direktor und dem Verwaltungsrats sowie den verschiedenen Fachbereichen. Insbesondere wurde Matlosz vorgeworfen, die Grundlagenforschung vernachlässigt zu haben und die Förderung von Nachwuchsforscher/-innen über die von erfahrenen Wissenschaftlern/-innen gestellt zu haben. Le Monde ergänzt, bereits Vidals Vorgänger, der ehemalige Staatssekretär für Hochschulwesen und Forschung Thierry Mandon, habe einen Wechsel an der Führungsspitze in Erwägung gezogen. Wie Mandon zitiert wird, sei es aber keine reine Personalangelegenheit, sondern auch auf die Sparpolitik zurückzuführen. So ist das Budget der ANR von 710 Millionen Euro (2012) auf 528 Millionen Euro (2015) gesunken und mit ihm auch die Förderquote. Der damalige Staatspräsident François Hollande kündigte eine Budgeterhöhung auf 596 Millionen Euro für 2016 an, insbesondere um die Zahl der geförderten Anträge zu erhöhen. Für dieses Jahr sind zwar 643 Millionen Euro vorgesehen, das MESRI gab jedoch kürzlich bekannt, insgesamt 180 Millionen Euro einsparen zu müssen. Und für 2018 kündigte Staatspräsident Emmanuel Macron bereits an, dass es keine Budgeterhöhung außer für den Verteidigungsetat geben werde.

Zudem gab es in der ANR laut Le Monde mehrere Konflikte um die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Agentur. Der Leiter des Fachbereichs Geistes- und Sozialwissenschaften sowie das vollständige Expertenkomitee für die Bewerbungen im Bereich Mathematik und Informatik sind 2016 zurückgetreten. Innerhalb des Fachbereichs Biologie und Gesundheit wurden der Präsident des Expertenkomitees für Zellbiologie und -entwicklung ebenso wie die Leiterin des Fachbereichs ausgetauscht nachdem sie sich über die unzureichende Beachtung von Fachexperten bei der Projektauswahl beschwert hatten. Weiterhin gibt es Kritik an der inhaltlichen Ausrichtung der ANR, insbesondere an den Förderlinien, die sich an den in der Nationalen Forschungsstrategie SNR definierten „Gesellschaftlichen Herausforderungen“ orientieren. So zitiert Le Monde eine Quelle aus dem Umfeld des MESRI, laut der, diese Auswahl nach thematischen Prioritäten dazu führe, „dass ein Projekt in Mathematik verzerrt wird, damit es ins Feld Saubere Energie oder Ernährungssicherheit passt.“ Laut der Quelle sei dies absurd, da am Ende dieselben Projekte ausgewählt würden, aber alle Beteiligten hätten Zeit verloren.

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Quelle: MESRI, Le Monde Redaktion: von Kathleen Schlütter, Deutsch-Französische Hochschule Länder / Organisationen: Frankreich Themen: Förderung Strategie und Rahmenbedingungen

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