StartseiteThemenOpen Education, Science & InnovationAuseinandersetzungen um nationale Lizenzverträge und offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen

Auseinandersetzungen um nationale Lizenzverträge und offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen

Berichterstattung weltweit Internationalisierung Deutschlands, Bi-/Multilaterales

Bisher sind die Verhandlungen des führenden niederländischen Wissenschaftsverlags Elsevier mit einem deutschen Konsortium für eine bundesweite Lizenzvereinbarung ergebnislos verlaufen. Elsevier hat nun angekündigt, Forschern an rund 200 deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen, die ihre Abonnements gekündigt hatten, den Zugang zu seinen bezahlpflichtigen Fachzeitschriften vorläufig offenzuhalten, bis eine Vereinbarung erreicht ist. Als Präzedenzfall für Open Access stößt der Vorgang international auf großes Interesse. Zu einer nationalen Vereinbarung ist Elsevier mittlerweile mit einem südkoreanischen Konsortium gekommen.

Über 70 deutsche Hochschulen und Forschungseinrichtungen hatten 2016 ihre Verträge mit dem größten Wissenschaftsverlag Elsevier gekündigt; Anfang 2018 ist die Zahl der vertragslosen Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf über 180 angewachsen.

Um die deutschen Interessen zu vertreten, haben sich derzeitig mehr als 60 wissenschaftliche Einrichtungen zum Konsortium DEAL zusammengeschlossen. DEAL, vertreten durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), verfolgt das Ziel, mit Elsevier und anderen Wissenschaftsverlagen bundesweite Lizenzverträge auszuhandeln, die einen vollen Online-Zugang zu Zeitschriften zu erheblich günstigeren Preisen bieten würden, als einzelne Einrichtungen bisher bezahlt haben. Insgesamt wird eine signifikante Änderung gegenüber dem gegenwärtigen Status Quo bei der Verhandlung, den Inhalten und der Preisgestaltung angestrebt. Besonders kritisch in den Vertragsverhandlungen ist die Implementierung einer Open Access-Komponente. So sollen alle Publikationen von Autorinnen und Autoren aus deutschen Einrichtungen automatisch auf Open Access geschaltet werden.

Das Geschäftsmodell und die Preispolitik von Wissenschaftsverlagen ist durch erweiterte digitale Publizierungsalternativen, nötige Sparmaßnahmen und das Bestreben, Publikationen frei zugänglich zu machen, unter Druck geraten und Gegenstand von insbesondere mit Elsevier hart geführten Auseinandersetzungen. Die Situation wesentlich verändert haben auch nicht legale Bibliothek-Plattformen wie Sci-Hub, über die man frei auf einen breiten und hochwertigen Fundus an Publikationen zugreifen kann. In mehreren Ländern wurde Elsevier mit einer Boykottstrategie oder der Offenlegung bisher geheimer, der Schweigepflicht unterliegender Vertragsbedingungen verstärkt unter Druck gesetzt. 

So gelang es niederländischen Universitäten durchzusetzen, dass 30 Prozent der von Elsevier publizierten Artikel ihrer Forscher seit 2018 frei zugänglich sind. Nun beobachten akademische Verlagsexperten auf der ganzen Welt aufmerksam die Situation in Deutschland. Eine bundesweite Vereinbarung, nach der alle Autoren deutscher Institutionen ihre Dokumente weltweit zum Lesen und Teilen freistellen, wäre ein Meilenstein für die globalen Bemühungen, die Ergebnisse der öffentlich finanzierten Forschung den Wissenschaftlern und der breiten Öffentlichkeit in allen Ländern sofort und frei zugänglich zu machen.

Das Verhandlungsergebnis hätte wohl auch unmittelbare Auswirkungen auf Österreich, wo die Verträge mit Elsevier zur Verlängerung anstehen, auch vor dem Hintergrund, dass die Universität Wien und der Wissenschaftsfonds FWF den weltweit ersten Vertrag mit dem Open Access Verlag Frontiers geschlossen haben, bei dem Preise und Vertragskonditionen öffentlich gemacht werden.

Nach monatelangen Verhandlungen hat nun ein Konsortium von etwa dreihundert südkoreanischen Universitäten eine neue Übereinkunft mit Elsevier für den Zugang zu ScienceDirect, einer Datenbank mit Inhalten aus 3.500 wissenschaftlichen Zeitschriften und Tausenden von E-Books, erreicht. Die Vereinbarung, welche Preiserhöhungen zwischen 3,5% und 3,9% vorsieht, wurde kurz vor dem 12. Januar geschlossen, dem Tag, an dem Elsevier gedroht hatte, den Zugang zu ScienceDirect zu streichen. Der Verlag hatte eine Preiserhöhung von 4,5% angestrebt.

Das koreanische Konsortium betrachtet das Verhandlungsergebnis als vorläufigen Kompromiss; die Universitäten wollen bei weiteren Verhandlungen mehr Zugeständnisse verlangen. Sie wehren sich insbesondere gegen die obligatorische Einbeziehung vieler wenig gelesener Zeitschriften in das Paket von ScienceDirect. "Wir wollen, dass Elsevier das obligatorische Mindestflatrate-System abschafft, in dem unsere Universitäten für digitale Inhalte bezahlen müssen, die niemand liest", sagte Lee Chang Won, Generalsekretär der Korea University and College Library Association, die zusammen mit dem Korean Council for University Education (KCUE) das Konsortium leitet.

Zum Nachlesen:

Quelle: Science, Nature, DEAL, netzpolitik.org, Der Standard Redaktion: von Miguel Krux Länder / Organisationen: Republik Korea (Südkorea) Deutschland Österreich Global Themen: sonstiges / Querschnittsaktivitäten Strategie und Rahmenbedingungen

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