Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Merian Centres voraussichtlich zwölf Jahre mit jeweils bis zu 20 Millionen Euro. Damit handelt es sich bei dem neuen Zentrum um das derzeit finanziell umfangreichste Forschungsprojekt zu Lateinamerika, das mit Mitteln aus Deutschland gefördert wird.
Das neue Institut heißt „Maria Sibylla Merian Centre for Advanced Latin American Studies in the Humanities and Social Sciences“ (CALAS, Zentrum für fortgeschrittene Lateinamerika-Forschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften). Sein Aufbau wird im Maria Sybilla Merian-Programm des BMBF gefördert. Mit den Internationalen Forschungskollegs „Maria Sibylla Merian Centres“ will das BMBF die Internationalisierung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften in Deutschland durch enge bi- und multilaterale Kooperationsprojekte an Standorten außerhalb Deutschlands voranbringen. Im Juli 2015 begann in Delhi (Indien) der Aufbau des ersten Merian Centre. An der Universidade de São Paulo (Brasilien) startet Anfang April ein weiteres Merian Centre. Außerdem soll ein Zentrum in einem Land Subsahara-Afrikas etabliert werden.
Für das Lateinamerika-Zentrum CALAS werden neben dem Zentralstandort in Guadalajara weitere Regionalzentren in Argentinien, Ecuador und Costa Rica aufgebaut. Der Historiker Professor Dr. Olaf Kaltmeier vom Center for InterAmerican Studies (CIAS) der Universität Bielefeld ist Direktor des CALAS und Sprecher des deutschen Universitätskonsortiums: „Mit diesem Projekt etabliert sich die Universität Bielefeld in der Spitzengruppe der deutschen und auch internationalen Forschung zu den Amerikas.“
Das CALAS geht das Hauptthema gesellschaftliche Krisen aus vier Perspektiven an: „Sozial-ökologische Transformation“, „Soziale Ungleichheiten“, „Gewalt und Konfliktlösung“ sowie „Identität und Region“. „Wir wollen von der Weltregion Lateinamerika lernen, wie dort Krisen bewältigt werden“, sagt Kaltmeier. Ab 2019 sollen im Wechsel gleichzeitig bis zu 20 „Fellows“, also internationale Gastwissenschaftler, in Forschungsgruppen am CALAS arbeiten, außerdem Doktorandinnen und Doktoranden in Graduiertenprogrammen.
„Ein zentrales Ziel des CALAS ist, gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Lateinamerika zu forschen – und nicht über ihre Köpfe hinweg“, sagt Kaltmeier. Lateinamerika bringe bemerkenswerte Lösungen für Krisen hervor. „Mit Blick auf den sozial-ökologischen Wandel ist zum Beispiel die lateinamerikanische Idee vom ,Buen Vivir‘, dem guten Leben, vorbildlich. Das Konzept beruft sich auf Wertmaßstäbe der einheimischen Kulturen der Andenländer“, sagt Kaltmeier. „Ein anderes, unkonventionelles Beispiel betrifft die Lösung von Konflikten. Länder wie jüngst Kolumbien haben das Prinzip der Wahrheitskommissionen entwickelt, um das Unrecht von Bürgerkriegen oder Diktaturen aufzuarbeiten und sind erfolgreich damit.“
Das Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld hat die Förderung für das CALAS mit beantragt. „Das ZiF ist eine starke Inspiration für das CALAS. Wir nutzen am CALAS das ZiF-Prinzip der Forschungsgruppen auf Zeit und ergänzen es“, sagt Kaltmeier. Ebenso wie am ZiF können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler künftig am CALAS mit einem Thema um eine Forschungsgruppe bewerben. Bei Erfolg leben und arbeiten die Mitglieder der Gruppe (Fellows) dann etwa ein Jahr gemeinsam am CALAS, laden andere Wissenschaftler zu Tagungen ein, bringen gemeinsame Publikationen heraus und informieren in Vorträgen und Diskussionen über ihre Ergebnisse. „Die CALAS-Außenstellen ermöglicht den Fellows zudem, in den dortigen Archiven zu arbeiten und zum Beispiel in Studien die Menschen des jeweiligen Landes zu befragen“, sagt Kaltmeier.
Die Förderung des BMBF läuft zunächst über zwei Jahre Aufbauphase. Danach ist eine weitere Förderung des CALAS für bis zu zehn Jahre vorgesehen (eine sechsjährige Hauptphase und eine vierjährige Abschlussphase). Allein für die ersten acht Jahre beläuft sich die Förderung auf 13 Millionen Euro.
Ebenso wie die Universität Bielefeld vergrößert und modernisiert auch die Universität Guadalajara ihren Campus. Zu dem neuen Stadtviertel gehören neben Gebäuden für die Sozial- und Geisteswissenschaften, darunter das CALAS, auch Theater und Museen. Guadalajara ist mit 4,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt in Mexiko. Sie gilt mit der zweigrößten Buchmesse der Welt als internationale Kulturmetropole. Mit der Universität Bielefeld ist die Universität Guadalajara seit mehr als zehn Jahren eng verbunden, unter anderem durch ein Austauschprogramm für Dozenten und Studierende, das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert wird.
Kontakt
Prof. Dr. Olaf Kaltmeier
Universität Bielefeld
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie
Tel: 0521 106-3216
E-Mail: olaf.kaltmeier(at)uni-bielefeld.de