Der Bericht analysiert auch zentrale Innovationshürden in der EU, wie z.B. regulatorische Hemmnisse im Technologiesektor, eine vergleichsweise geringe Innovationsstärke bei der Valorisierung von (Grundlagen-)Forschungsergebnissen gerade in Hightech-Sektoren und insgesamt unzureichende Investitionen in Forschung und Innovation. Das aktuelle EU-Rahmenprogramm Horizont Europe deckt dem Bericht zufolge zu viele Themenbereiche ab und ist gleichzeitig zu komplex, bürokratisch und nicht ausreichend auf disruptive Innovationen ausgerichtet. Im Hinblick auf das nächste EU-Rahmenprogramm (FP10, 2028-2035) empfiehlt der Bericht daher u.a. folgende strukturelle Reformen:
- Fokussierung auf eine geringere Anzahl von (thematischen) Förderprioritäten
- Aufstockung des Budgetanteils für bahnbrechende Innovationen
- Förderung risikoreicher Projekte mit hohem Potenzial für bahnbrechende technologische Fortschritte
- Effizienzsteigerung: Administration des Rahmenprogramms durch ausgewiesene FuI-Expertinnen und Experten sowie Vereinfachung der Antragsverfahren.
Im Zusammenhang mit diesen Reformen empfiehlt der Bericht eine Verdoppelung sowohl des FP10-Budgets insgesamt (auf 200 Milliarden EUR) als auch des Budgets für den European Research Council (ERC) (jeweils im Vergleich mit Horizont Europa). Außerdem solle die EU ein exzellenzbasiertes, kompetitives "ERC for Institutions"-Programm einführen, welches Forschungseinrichtungen in Europa den Aufbau einer kritischen Masse an Top-Talenten ermöglichen könne. Parallel dazu fordert der Bericht eine bessere Koordinierung öffentlicher Forschungs- und Innovationsinvestitionen zwischen den EU-Mitgliedstaaten.
Einen Beitrag zu der zukünftigen europäischen Forschungs- und Innovationsunion sollen neue Formate wie das einer "Innovative European Company“ und eines "EU Chair“ leisten.
Vorgeschlagen wird, dass Forschende von Weltklasse, die zukünftig auf einen "EU Chair" berufen werden, damit auch den EU-Beamtenstatus erhalten. Zusätzlich wird die Notwendigkeit betont, in der EU private Finanzierungen für die Anwerbung und den Verbleib von Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern an europäischen Hochschulen und Institutionen zu mobilisieren.
Innovative Start-Ups sollten zukünftig den Status einer "Innovative European Company” erhalten. Damit verbunden ist eine einheitliche digitale Identität, die in der ganzen EU anerkannt wird und die die Gründung von Niederlassungen in anderen EU-Staaten erleichtern würde. Operieren sollen die Unternehmen unter harmonisierten gesetzlichen Regeln auch betreffend Insolvenz, Arbeitsrecht und Besteuerung.
Nach Angaben der EU-Kommission habe der Draghi-Bericht bereits in seiner Entwurfsphase die politischen Leitlinien der EU-Kommissionspräsidentin für die Prioritäten der neuen EU-Kommission (2024-2029) beeinflusst, insbesondere im Hinblick auf einen "Clean Industrial Deal". Dieser soll in den ersten 100 Tagen der Amtszeit der neuen EU-Kommission vorgelegt werden.
Laut dem Online-Magazin Science|Business empfiehlt der Bericht ebenfalls eine Umgestaltung des European Innovation Council (EIC) hin zu einer "ARPA-ähnlichen Agentur". Der EIC wurde 2021 gegründet, um die wichtigsten EU-Instrumente unter einem Dach zu vereinen und Innovationen schneller auf den Markt zu bringen. Draghi zufolge ist das EIC jedoch zu langsam, nicht unabhängig genug von der Kommission und bezieht nicht genügend Programmmanager ein, jene Fachleute, die im Rahmen des ARPA-Modells große Handlungsspielräume und Budgets haben, um radikale Innovationen zu verfolgen.
Zum Nachlesen
- Science|Business (12.09.2024): Draghi report: could the EU set up its own Darpa-like agency?
- Europäische Kommission (09.09.2024): EU competitiveness: Looking ahead